Samstag, 12. Juli 2025

Tag 2 - Im Reich der Ziesel

Leider erwache ich bereits 2:30 Uhr und muss daher zunächst drei Stunden damit überbrücken, mich hin  und her zu wälzen, ins Dunkle zu stieren und meine Handyspielfertigkeiten auszubauen. Gegen 5:30 Uhr verlautbart Sophia dann dankenswerterweise, bereits wach zu sein, sodass allgemeine Aufbruchsstimmung einsetzt. Nach kurzer Morgenhygiene geht es mithin ins hoteleigene Frühstückslokal, wo meine nimmersatten Reisebegleiter jeweils einen riesigen Pancaketeller verschlingen, was mit überaus stolzen 65 CAD zu Buche schlägt.


Anschließend wird noch ausgiebig die hässliche Holzpferdeattrappe vor dem Restaurant beritten ("Vorwärts Amadeus!")...


...und etwas UNO gespielt, wobei sich die anwendbaren Regeln auf wundersame Weise laut Sophia je nach Spielverlauf in einer für sie vorteilhaften Weise ändern. Schließlich erscheint kurz vor 8:00 Uhr unser Taxifahrer, dem ich sofort seinen formschönen Rauschebart neide, mit welchem sich meine kläglichen Fusseln im Gesicht leider in keiner Form messen können. Während der Fahrt brilliere ich dafür mit bemerkenswert souveränem Smalltalk, was auch meinen in Folge ehrfürchtigen Mitreisenden nicht verborgen bleibt.

Bei Fraserway angekommen werden wir trotz unseres verfrühten Erscheinens sofort von einer deutsch sprechenden Dame in Empfang genommen und zügig abgefertigt. Die Inaugenscheinnahme des Wohnmobils verläuft ebenfalls sehr erfreulich, weil dieses überaus praktisch aufgeteilt und vor allem nigelnagelneu ist. Einzig ein defektes Fliegengitter zeigt sich kurz nach der Abfahrt, was aber nach schneller Kehrtwende innerhalb kürzester Frist von einem freundlichen Mitarbeiter behoben wird. Schwierig war es nur, Lisa zu überzeugen, überhaupt umzudrehen, weil sie nicht als typisch "pingelige Deutsche", sondern lieber als "coole Socke" mit kaputtem Fliegengitter und zahllosen Mückenstichen in Erinnerung bleiben wollte. Insgesamt jedenfalls kann ich Fraserway bisher nur empfehlen: Neue Fahrzeuge, schnelle Abfertigung und guter Service - volle drei Biberzähne!

Nach dem obligatorischen Großeinkauf bei Walmart - diesmal nebst neuer Hose für Sophia, weil wir ihr aus unerklärlichen Gründen nur wenig wetterfeste Exemplare eingepackt haben - geht es dann auch schon Richtung Waterton Lakes National Park. Auf halber Strecke machen wir Stop bei Tim Hortons, der klassischen Fast-Food-Kette hier in Kanada. Lisa und Sophia finden es wohl ganz gut, meine Gedärme sagen aber ganz klar, dass die dort Verwendung findenden Zutaten gut siebenundzwanzig Jahre zu lang vor sich hingemodert haben. Vom Personal ganz zu schweigen...

Trotzdem erreichen wir irgendwie unser Ziel, wo wir überraschend erfahren, dass der Parkeintritt heute umsonst ist. Ein Grund dafür ist nicht ersichtlich, aber warum auch nicht? Im Park reicht die Zeit heute nur noch für einen kurzen Abstecher am Driftwood Beach, wo sich Sophia an den bunten Steinen im Wasser und wir uns an der schönen Umgebung erfreuen.


Dann düsen wir weiter zum Campingplatz, an welchem wir sogleich von unzähligen Nagetieren umschwirrt werden, die lautstark ihren Unmut über unser Erscheinen kundtun ("Fiep! Fiep!") und von Sophia als "Ziesel" identifiziert werden. Ob das wirklich stimmt, mag dahingestellt bleiben; passend finde ich es allemal.

Schließlich geht es am Abend nochmal kurz an den namensgebenden (Upper) Waterton Lake bevor wir in unsere Betten sinken. Ein erfolgreiches Einschlafen stellt sich indes als Herausforderung dar, wird Camping hier doch überraschenderweise mit äußerst lautstarken musikalischen Darbietungen zelebriert. Deswegen also wurden wir bereits am Eingangshäuschen ausdrücklich auf die Möglichkeit hingewiesen, Lärmbelästigungen zu melden!

Tag 1 - Altbekannt und doch neu

Endlich geht es wieder los! Ein paar Sachen bleiben "wie immer": Wir drei reisen für mehrere Wochen mit dem Wohnmobil durch Nordamerika. Was dieses Mal anders ist: Wir werden uns die meiste Zeit in Kanada statt den USA aufhalten und wir sind erstmalig auf die deutsche Ferienzeit angewiesen. So kommen wir auch endlich in den "Genuss" der Flugpreise in den Sommerferien. Das nervt schon mal, aber wir nutzen das gleich aus für eine weitere Neuerung: Wir fliegen in der Business Class. Klingt dekadent und ist es wohl auch, aber da dank der Ferienzeit die Flugpreise schon für die Holzklasse so hoch waren, war der Aufpreis für die Business Class (zumindest für den Hinflug) verhältnismäßig überschaubar, sodass Christoph das mal ausprobieren wollte.

Los geht's also von Leipzig nach Frankfurt. Nach kurzem Zwischenstopp in der Lufthansa Lounge, wo man theoretisch kostenlos frühstücken könnte, wir uns hingegen mit ein paar Gummibärchen begnügen, ...

... steigen wir in das kleine Flugzeug, in dem die Business Class darin besteht, dass jeder von uns eine Zweierreihe für sich hat. Das ist mit Kind natürlich Quatsch, denn erwartungsgemäß will Sophia neben mir sitzen, sodass sich ein anderer über die freie Zweierreihe neben uns freut. Aber immerhin - und damit hatten wir nicht gerechnet - bekommen wir direkt etwas zu essen.

Und es schmeckt sogar! Bevor ich mich versehe, sind wir schon wieder im Landeanflug. Auch eine interessante Taktik: Die Flugzeit einfach mit Essen rumkriegen.

Ohne weitere Probleme starten wir pünktlich von Frankfurt in Richtung Calgary. Das Platzangebot ist wirklich super und es kommt für mich noch besser: Sophia hat festgelegt, dass sie während des ersten Fluges neben mir sitzt und während des zweiten Fluges neben Christoph. Sobald wir also die Flughöhe erreicht haben, darf ich mich auf den Platz hinter den beiden setzen und in Ruhe lesen. Auch auf dem langen Flug gilt die Devise: Die Reisenden werden erstmal ausgiebig mit Essen beschäftigt. Das Drei-Gänge-Menü nimmt einige Zeit in Anspruch und schmeckt ganz passabel. Den restlichen Flug vertreiben wir uns mit Lesen, Filme gucken, Musik hören und Sophia schläft zwischendurch sogar noch ein bisschen.


Außerdem ist es immer wieder interessant, andere Fluggäste zu beobachten. Der Mann neben mir verschläft nahezu den gesamten Flug und ist nur zum Essen wach. Diese Zeiten nutzt er dann aber auch intensiv, verputzt alles bis auf den letzten Krümel, nimmt jede Getränkerunde mit und lässt sich erstmal zwei Weine zur Verkostung einschenken, bevor er sich für einen entscheidet. Die Frau auf der anderen Seite des Ganges dagegen pausiert ihren Film etwas 15 Minuten vor Schluss und damit vermutlich mitten im Finale, um erstmal 2 Stunden zu schlafen. Entweder besitzt sie genau die Art von Selbstdisziplin, die mir abends auf dem Sofa regelmäßig fehlt, wenn ich denke, dass ich die letzten 10 Minuten der Serie schon noch schaffen werde ohne einzuschlafen, oder aber der Film war wirklich stinklangweilig. Eine Reihe weiter vorn schaut jemand erst eine klischeebeladene und durch und durch vorhersehbare Liebeskomödie und startet anschließend irgendeinen Teil von "Shrek". Da war ich doch halbwegs überrascht, als ich später bemerkte, dass auf dem Platz gar keine Frau saß, wie von mir fälschlicherweise angenommen, sondern stattdessen ein hünenhafter Kerl. So viel also zum Thema Klischees...

In Kanada angekommen klappt alles recht unkompliziert. Die Einreise haben wir vorher per App vorbereitet, die Koffer sind alle angekommen und wir fahren mit dem Taxi zum Hotel. Gut, der Taxifahrer war ein bisschen verwirrt und tollpatschig, aber am Ende hat er unser Hotel doch noch gefunden und die Koffer, die nach seiner rasanten Fahrt beim Öffnen des Kofferraums ungehalten auf den Asphalt purzelten, haben den Sturz ebenfalls unbeschadet überstanden.

Im Foyer des Hotels befindet sich zu Sophias großer Freude ein Holzpferd, das selbstredend sofort bestiegen wird, während sie einen Vortrag über die Eigenheiten des Westernreitens hält. Beim Einchecken ins Hotel erhalten wir zu unserem Missfallen ein weiteres Kuscheltier überreicht: Nach dem Kuscheltier in Form eines Flugzeuges, das wir im Flieger bekommen haben und von dem Christoph nach wie vor der Meinung ist, dass es einen Fisch darstellt, komplettiert nun also noch ein lustig aussehender Biber unsere Reisegruppe.


Schließlich essen wir in der hoteleigenen Bar zu Abend und schaffen es tatsächlich, bis 21 Uhr wach zu bleiben. Während Christoph und mir schon die Augen zufallen, hört Sophia noch ein Hörspiel, dessen Abschlusssong mich einige Zeit später aus dem Schlaf reißt und mir auf ganz unangenehme Art und Weise im Ohr bleiben wird. "Bei der Feuerwehr wird der Kaffee kalt" - was ist das überhaupt für ein blöder Titel?