Bestenfalls schließt ein toller Urlaub mit einem Tag, an dem alles gelingt und alles zusammenpasst. Und ein eben solcher Tag soll uns heute tatsächlich (fast) beschieden sein. Der nahezu perfekte Abschluss dieser Reise.
5:00 Uhr morgens klingelt planmäßig der Wecker. Der stockfinsteren Nacht trotzend schlüpfen wir in unsere Klamotten, machen das Wohnmobil fahrbereit und zuckeln über 26 Kilometer Gravelroad zum Ausgangspunkt unserer heutigen Wanderung, dem Horseshoe Tent Ridge Trail im Kananaskis Country. An der passenden Parkbucht angekommen wird nur noch fix gefrühstückt; dann schnüren wir auch schon die Wanderschuhe.
Zunächst geht es über einen recht steilen Matschepfad durch dichten Wald bis wir eine schöne Lichtung erreichen, um die sich hufeisenförmig der von uns zu besteigende Bergrücken schlingt.
Der Weg führt uns nach links und weiter die Berge hinauf zur Baumgrenze. Dort entledigen wir uns unserer Jacken, erwarten wir doch trotz der frühmorgendlichen Temperaturen bald gehörig ins Schwitzen zu kommen. Es geht nämlich nach oben. Steil nach oben. Über nur einen Kilometer Distanz wollen 300 Höhenmeter bezwungen werden. Also steigen, kraxeln und klettern wir bei immer besser werdenden Aussichten den Felsrücken hinauf.
An einer auf dem ersten Gipfel befindlichen Wetterstation wird kurz gerastet; dann geht es weiter. Immer dem Gebirgskamm folgend laufen wir zunächst wieder nach unten und an der Grenze einer Sperrzone wegen erhöhter Grizzly-Aktivität entlang. Entgegen Lisas dahingehender Befürchtungen lässt sich aber natürlich keiner der lieben Pelzfreunde blicken. Dann beginnt ein weiterer Aufstieg, der uns nochmal ein Stück höher bis zur höchsten Erhebung der Ridge führt. Schnaufend erreichen wir diese gegen 9:30 Uhr und erholen unsere müden Knochen, die zu so früher Stunde bereits 850 Höhenmeter erklommen haben. Von hier aus hat man einen fantastischen Blick auf die Hufeisenform des Bergrückens und den darauf verlaufenden Weg!
Sodann wird weiter gekraxelt mit immer wieder tollen Ausblicken.
Auf halbem Weg zum Abstieg begegnen wir ein paar anderen Wanderern, welche wir rasch passieren. Ansonsten werden wir hier oben ganz für uns sein. So auch auf der letzten Erhebung des Bergkamms, die einen traumhaften Blick auf das Spray Lakes Reservoir offenbart.
Kaum, dass wir uns an den Abstieg machen, verdunkelt sich der Himmel und es donnert bedrohlich. Offenbar hat es sich gelohnt, dem Wetterbericht Glauben schenkend äußerst früh aufzubrechen. Eine Stunde lang quälen wir fortan Zehen und Knie auf steilen Switchbacks bergab, wechselweise die Aussicht genießend und misstrauisch den Himmel beäugend. Kaum haben wir die Baumgrenze durchschritten, kommt auch das Mückenspray noch ein letztes Mal zum Einsatz. Hier nämlich tummeln sich wieder die lästigen Mistviecher. Der letzte Kilometer wird halb rennend, halb im Stechschritt laufend überwunden, da das Gewitter nur noch wenige hundert Meter entfernt erscheint. Tatsächlich war das ein wenig übervorsichtig, aber etwa 30 Minuten nach Ankunft im Camper setzt der Regen dann wirklich ein. Wir sitzen glücklicherweise zu diesem Zeitpunkt bereits im Trockenen und mümmeln fröhlich unser wohlverdientes Mittagessen.
Sodann düsen wir weitere 30 Kilometer auf dem trotz Gravel gut befahrbaren Smith-Dorrien-Trail entlang und dann dem Highway 40 folgend wieder nach Norden. Um uns herum eine traumhafte Berglandschaft, die mal in Regen, mal in Sonnenschein getaucht wird. Plötzlich huscht rechts von mir ein brauner Fleck am Straßenrand vorbei und Lisa ruft "Bär!". Mit nur wenig gutem Zureden bringe ich sie zur Kehrtwende und tatsächlich läuft dort ein gut gelaunter Grizzly am Hang entlang und knabbert Beeren. So sicher und ungestört konnten wir einen dieser Kuschelbärchen in diesem Urlaub noch gar nicht aus der Nähe beobachten. Toll!
Zumindest bis nach etwa zehn Minuten eine Rangerette erscheint und uns zur Weiterfahrt auffordert. Wo kommen die nur immer plötzlich her? Warum wissen die stets sofort Bescheid, wenn sich ein Bär blicken lässt? Sind die Bären etwa alle gechipt? Das wäre doch mal was für eine Verschwörungstheorie...
Wir fahren jedenfalls glücklich zu unserem letzten Campground, der von den "Stoney"-Indianern geführt wird. Und wie bei Indianer-Einrichtungen leider üblich, sieht hier alles verwahrlost und zugemüllt aus. Die Wege eine zerfahrene Matschlandschaft, herrenlose Hunde, die umherirren, Autoreifen, Schrott und verfallene Bruchbuden am Wegesrand, die von zerbrochenen Träumen künden. Auch die Dump-Station ist nicht mehr als ein stinkendes und müllflankiertes Loch im Boden.
Offenbar unterscheiden sich die Stoneys da in keiner Weise von den Navajos und anderen indigenen Stämmen Nordamerikas, deren Gastfreundschaft wir bereits genießen durften. Warum nur sieht es bei Indianern immer so schlimm aus? Auch dies wird für uns auf ewig ein Mysterium bleiben.
Egal. Dessen ungeachtet haben wir nämlich von unserer Campsite einen absoluten Traumblick auf den unter uns verlaufenden Bow River und die sich dahinter erstreckenden Rocky Mountains.
Zudem lässt sich jetzt auch die Sonne wieder blicken, sodass wir endlich unsere noch immer versiffte Zeltausrüstung trocknen und anschließend draußen Koffer packen können. Guten Internetempfang haben wir hier natürlich auch, welchen wir sogleich für den Online-Check-In nutzen. Alles fügt sich wunderbar und wir sind für unsere Abreise ausgezeichnet gerüstet. Nun muss nur noch kurz der Generator angeschaltet werden, um das Laptop für seine erwartbar längere Nutzung im Flugzeug aufzuladen und.... Brbrbrbrbbrrrrrr...... Hmm, der Generator hat wohl nun leider am letzten Tag den Geist aufgegeben; auch weitere Startversuche bleiben erfolglos. Aber naja, da gibt es nun wirklich Schlimmeres. Zumindest für Lisa und mich, die ob dieses wunderbaren Tages noch immer beseelt sind. Hoffentlich kann sich Sophia dieser Meinung auch morgen noch anschließen...