Dienstag, 5. August 2025

Tag 26 - Der (fast) perfekte Abschluss

Bestenfalls schließt ein toller Urlaub mit einem Tag, an dem alles gelingt und alles zusammenpasst. Und ein eben solcher Tag soll uns heute tatsächlich (fast) beschieden sein. Der nahezu perfekte Abschluss dieser Reise.

5:00 Uhr morgens klingelt planmäßig der Wecker. Der stockfinsteren Nacht trotzend schlüpfen wir in unsere Klamotten, machen das Wohnmobil fahrbereit und zuckeln über 26 Kilometer Gravelroad zum Ausgangspunkt unserer heutigen Wanderung, dem Horseshoe Tent Ridge Trail im Kananaskis Country. An der passenden Parkbucht angekommen wird nur noch fix gefrühstückt; dann schnüren wir auch schon die Wanderschuhe.

Zunächst geht es über einen recht steilen Matschepfad durch dichten Wald bis wir eine schöne Lichtung erreichen, um die sich hufeisenförmig der von uns zu besteigende Bergrücken schlingt.



Der Weg führt uns nach links und weiter die Berge hinauf zur Baumgrenze. Dort entledigen wir uns unserer Jacken, erwarten wir doch trotz der frühmorgendlichen Temperaturen bald gehörig ins Schwitzen zu kommen. Es geht nämlich nach oben. Steil nach oben. Über nur einen Kilometer Distanz wollen 300 Höhenmeter bezwungen werden. Also steigen, kraxeln und klettern wir bei immer besser werdenden Aussichten den Felsrücken hinauf.




An einer auf dem ersten Gipfel befindlichen Wetterstation wird kurz gerastet; dann geht es weiter. Immer dem Gebirgskamm folgend laufen wir zunächst wieder nach unten und an der Grenze einer Sperrzone wegen erhöhter Grizzly-Aktivität entlang. Entgegen Lisas dahingehender Befürchtungen lässt sich aber natürlich keiner der lieben Pelzfreunde blicken. Dann beginnt ein weiterer Aufstieg, der uns nochmal ein Stück höher bis zur höchsten Erhebung der Ridge führt. Schnaufend erreichen wir diese gegen 9:30 Uhr und erholen unsere müden Knochen, die zu so früher Stunde bereits 850 Höhenmeter erklommen haben. Von hier aus hat man einen fantastischen Blick auf die Hufeisenform des Bergrückens und den darauf verlaufenden Weg!


Sodann wird weiter gekraxelt mit immer wieder tollen Ausblicken.



Auf halbem Weg zum Abstieg begegnen wir ein paar anderen Wanderern, welche wir rasch passieren. Ansonsten werden wir hier oben ganz für uns sein. So auch auf der letzten Erhebung des Bergkamms, die einen traumhaften Blick auf das Spray Lakes Reservoir offenbart.


Kaum, dass wir uns an den Abstieg machen, verdunkelt sich der Himmel und es donnert bedrohlich. Offenbar hat es sich gelohnt, dem Wetterbericht Glauben schenkend äußerst früh aufzubrechen. Eine Stunde lang quälen wir fortan Zehen und Knie auf steilen Switchbacks bergab, wechselweise die Aussicht genießend und misstrauisch den Himmel beäugend. Kaum haben wir die Baumgrenze durchschritten, kommt auch das Mückenspray noch ein letztes Mal zum Einsatz. Hier nämlich tummeln sich wieder die lästigen Mistviecher. Der letzte Kilometer wird halb rennend, halb im Stechschritt laufend überwunden, da das Gewitter nur noch wenige hundert Meter entfernt erscheint. Tatsächlich war das ein wenig übervorsichtig, aber etwa 30 Minuten nach Ankunft im Camper setzt der Regen dann wirklich ein. Wir sitzen glücklicherweise zu diesem Zeitpunkt bereits im Trockenen und mümmeln fröhlich unser wohlverdientes Mittagessen.

Sodann düsen wir weitere 30 Kilometer auf dem trotz Gravel gut befahrbaren Smith-Dorrien-Trail entlang und dann dem Highway 40 folgend wieder nach Norden. Um uns herum eine traumhafte Berglandschaft, die mal in Regen, mal in Sonnenschein getaucht wird. Plötzlich huscht rechts von mir ein brauner Fleck am Straßenrand vorbei und Lisa ruft "Bär!". Mit nur wenig gutem Zureden bringe ich sie zur Kehrtwende und tatsächlich läuft dort ein gut gelaunter Grizzly am Hang entlang und knabbert Beeren. So sicher und ungestört konnten wir einen dieser Kuschelbärchen in diesem Urlaub noch gar nicht aus der Nähe beobachten. Toll!



Zumindest bis nach etwa zehn Minuten eine Rangerette erscheint und uns zur Weiterfahrt auffordert. Wo kommen die nur immer plötzlich her? Warum wissen die stets sofort Bescheid, wenn sich ein Bär blicken lässt? Sind die Bären etwa alle gechipt? Das wäre doch mal was für eine Verschwörungstheorie...

Wir fahren jedenfalls glücklich zu unserem letzten Campground, der von den "Stoney"-Indianern geführt wird. Und wie bei Indianer-Einrichtungen leider üblich, sieht hier alles verwahrlost und zugemüllt aus. Die Wege eine zerfahrene Matschlandschaft, herrenlose Hunde, die umherirren, Autoreifen, Schrott und verfallene Bruchbuden am Wegesrand, die von zerbrochenen Träumen künden. Auch die Dump-Station ist nicht mehr als ein stinkendes und müllflankiertes Loch im Boden.


Offenbar unterscheiden sich die Stoneys da in keiner Weise von den Navajos und anderen indigenen Stämmen Nordamerikas, deren Gastfreundschaft wir bereits genießen durften. Warum nur sieht es bei Indianern immer so schlimm aus? Auch dies wird für uns auf ewig ein Mysterium bleiben. 

Egal. Dessen ungeachtet haben wir nämlich von unserer Campsite einen absoluten Traumblick auf den unter uns verlaufenden Bow River und die sich dahinter erstreckenden Rocky Mountains.


Zudem lässt sich jetzt auch die Sonne wieder blicken, sodass wir endlich unsere noch immer versiffte Zeltausrüstung trocknen und anschließend draußen Koffer packen können. Guten Internetempfang haben wir hier natürlich auch, welchen wir sogleich für den Online-Check-In nutzen. Alles fügt sich wunderbar und wir sind für unsere Abreise ausgezeichnet gerüstet. Nun muss nur noch kurz der Generator angeschaltet werden, um das Laptop für seine erwartbar längere Nutzung im Flugzeug aufzuladen und....  Brbrbrbrbbrrrrrr...... Hmm, der Generator hat wohl nun leider am letzten Tag den Geist aufgegeben; auch weitere Startversuche bleiben erfolglos. Aber naja, da gibt es nun wirklich Schlimmeres. Zumindest für Lisa und mich, die ob dieses wunderbaren Tages noch immer beseelt sind. Hoffentlich kann sich Sophia dieser Meinung auch morgen noch anschließen...

Tag 25 - Nichts passiert

Ich erwache nachts gegen halb 2 und stelle resigniert fest, dass der Generator von Knatterkönig Knattattat II. nach wie vor seine unliebsamen Geräusche von sich gibt, während rundherum alles schläft. Noch während ich ihm gedanklich gehörig die Meinung geige, schlafe ich glücklicherweise auch schon wieder ein. Das nächste verschlafene Auf-die-Uhr-schielen geschieht dann gegen um 7. Die Geräusche sind unverändert, aber inzwischen ist Christoph wach. Da heute ausschlafen angesagt ist, döse ich noch ein Stündchen. Sophia schläft sogar bis 9:00 Uhr. Dann stehen wir auf und frühstücken in aller Ruhe. Und dann... Ja, dann machen wir nix. Das Wetter soll heute verregnet bleiben und wir haben unsere letzte Wanderung auf morgen verschoben. Also lesen wir, spielen und Sophia guckt ein bisschen was auf dem Laptop. Zwischendurch starren wir aus dem Fenster und verfassen Blogbeiträge und dann lesen wir wieder...

Gegen Mittag entschließen wir uns, nochmal zurück in Richtung Canmore zu fahren. Unsere Motivation: Internetempfang, um das Wetter für morgen zu checken. Unterwegs: Regen.

Da wir sowieso nichts zu tun haben, entscheiden wir uns spontan, nach Canmore reinzufahren und nochmal in der tollen Flatbread-Pizzeria von gestern zu essen. Denn das Essen war lecker, das W-LAN ist gut und ... naja ... wir brauchen ja auch irgendwas zu tun. Und allein schon für den leckeren Brownie mit Vanilleeis lohnt sich der Ausflug. 


Danach machen wir ganz entgegen unserer sonstigen Gewohnheiten noch das Zentrum von Canmore unsicher. Erst geht's in eine Fotoausstellung mit ganz tollen Naturfotografien, wobei wir uns fragen, wie viele frostige Nächte der Fotograf wohl irgendwo einsam im Hinterland mit seinem Zelt verbracht haben muss, um irgendwann mal diesen einen glücklichen Treffer mit Bär vor Polarlichtern zu landen. Macht sicherlich auch nicht immer Spaß. Uns sind die Fotos jedenfalls zu teuer, aber an andere Stelle werden noch kleine Souvenirs erworben und dann haben wir den Nachmittag auch irgendwie rumgekriegt und fahren die Schotterpiste zurück zum Campingplatz.

Und das war's dann eigentlich schon. Kurz zeigt sich am Abend noch einmal die Sonne, damit ich wenigstens ein freundliches Foto vom heutigen Tage machen kann. Dann geht es ab ins Bett, denn morgen ist ein letztes Mal (sehr) früh aufstehen angesagt.

Montag, 4. August 2025

Tag 24 - Die Rückkehr des Knatterkönigs

Viele offene Ziele stehen auf meinem Reiseplan nicht mehr. Das letzte in der Umgebung von Banff ist der Johnston Canyon, der überall als "Muss" angepriesen wird, wenn man hier unterwegs sein sollte. Also schnüren wir bereits gegen 8:30 Uhr in der Hoffnung unsere Schuhe, durch den halbwegs frühen Start den erwarteten Menschenmassen zumindest etwas aus dem Weg zu gehen.

Geklappt hat das leider nur leidlich. Der Johnston Canyon ist auch am frühen Vormittag schon vollgepackt mit Menschen. Und zwar so vollgepackt mit Menschen, dass man am ersten Aussichtspunkt ganze fünfzehn Minuten anstehen muss, um zur Fotoposition zu gelangen!


Wenn heute noch irgendetwas anderes geplant gewesen wäre, hätte ich spätestens bei Sichtung dieser Menschenschlange kehrt gemacht. So reihe ich mich stattdessen stupide ein und erlebe hautnah die zerstörerische Gewalt, die von Massentourismus ausgeht. Überall lautes Geschrei, Gedränge und Geknipse. In wie vielen chinesischen Wohnzimmern werde ich wohl bald entgeistert von der Wand hinab starren? Ein Blick von der Reling zeigt Flaschen, Bonbonpapiere, Taschentücher und Chipstüten, die das feuchte Moos der Camyonwände bedecken. "Leave only footprints" gilt ab einer bestimmten Personenanzahl nicht mehr - stattdessen wird munter der störende Abfall in der Umgebung verteilt. Der Johnston Canyon ist trauriges Opfer seiner eigenen Popularität geworden. Warum genau, ist mir nicht einmal klar: Wasserfälle ähnlich der massiv belagerten Lower Falls gibt es in der näheren Umgebung nämlich zuhauf.


Der weitere Weg zu den Upper Falls zeigt kein merklich anderes Bild. Ein paar weniger Menschen sind unterwegs; das fällt bei der Meute aber nicht allzu sehr auf. Vor Engstellen heißt es deshalb warten. Direkt am Wegesrand erleichtert sich unterdessen ein junges Mädchen.

An der Schlange zu den Upper Falls stehend spricht uns eine offenbar ebenfalls desillusionierte deutsche Familie an und fragt nach Alternativen in der Umgebung mit erträglichem Menschenzulauf. Da sie mit zwei kleinen Kindern und einem Baby in der Trage nicht allzu lange Strecken bewältigen werden können, dürfte das schwierig werden; ich schlage ihnen aber den Hector Lake und den Peyto Lake vor.

An den Upper Falls vorn angekommen dann das gleiche Bild: ein schicker Wasserfall, dessen nähere Umgebung in Müll ertrinkt... Warum gehen solche Leute nur in die Natur und bleiben nicht einfach in ihren versifften Wohnungen, wo es niemanden belästigt, wenn sie ihren Abfall auf dem dort bereits zuhauf liegenden Unrat verteilen?

Das "Instagram-Bild":


Die ganze Wahrheit:

Sophia stört das Ganze freilich nicht. Sie spaziert fröhlich voran und stellt sich dabei vor, gegen Skelette, Goblins und Schwarze Ritter zu kämpfen. Wir hingegen sind äußerst erleichtert, als wir gegen 10:30 Uhr den Johnston Canyon wieder verlassen können.

Was jetzt? Da haben wir leider keine Ahnung. Eigentlich soll es gegen Mittag anfangen zu regnen. Das "Problem": Noch ist der Himmel weitgehend blau. Also fährt Lisa erstmal weiter nach Osten, während ich versuche, bei häppchenweisem Internetempfang einen irgendwie halbwegs sinnvollen Alternativplan zu entwickeln.

Nach einer kleinen Pebbles-Mahlzeit geht es daher an den Barrier Lake, wo wir dem Prairie View Trail ein Stück weit folgen wollen. Insgesamt verläuft dieser über knapp 11 Kilometer etwa 500 Höhenmeter nach oben, weswegen ich bei spätem Start und zeitnah erwartetem Regen nicht davon ausgehe, diesen komplett zu begehen. Mit nur drei kleinen Flaschen Wasser und zwei Müsliriegeln bewaffnet pilgern wir daher los. Statt der von mir erwarteten wiederkehrenden Ausblicke auf den See erweist sich der Trail indes als stetig steiler werdender Waldweg ohne Möglichkeit, das dichte Buschwerk zu durchblicken.


Der Nachteil hiervon: Es macht wenig Sinn, den Trail nur ein Stück weit zu gehen. Der Vorteil aber: Wir kommen sehr schnell voran und finden uns daher unversehens nach einer guten Stunde kurz vor dem Gipfel wieder, wo wir endlich einen guten Ausblick auf den See haben.


Da es nun nicht mehr allzu weit bis zum Endpunkt ist, schlage ich vor, diesen auch noch anzusteuern, wofür ich zunächst allgemeinen Beifall, im Zuge der nunmehr noch steileren Wegführung aber schon bald harsche Kritik einfahre. Gleichwohl erreichen wir den Gipfel unversehrt und genießen die gute Aussicht.


Aber wirklich nur kurz. Die Wolken um uns werden immer grauer; zudem donnert es mittlerweile bedrohlich. Also flitzen wir im Stechschritt wieder Richtung Camper, wo wir nach einer knappen Stunde im leichten Nieselregen ankommen. Lisa zetert noch etwas, sie sei auf eine so anstrengende Wanderung nicht hinreichend vorbereitet worden; dann fahren wir auch schon zurück nach Canmore und lindern ihre Empörung mit leckerer Pizza sowie Brownies an Vanilleeis.

Nun heißt es nur noch eine Campsite auf dem von uns präferierten Spray Lakes West Campground zu bekommen, den wir nach fünfzehn Kilometern Gravelroad erreichen. Schon von Weitem sehen wir das "Campground Full"-Schild, fahren aber trotzdem hinein und finden eine Overflow-Area, auf der sich bisher nur drei weitere Fahrzeuge befinden. Dann campen wir eben heute hier; zurückfahren wollen wir auf keinen Fall. 

Kaum dreißig Minuten haben wir es uns gemütlich gemacht, da klopft es auch schon an der Tür. Zwei französische Mädchen ersuchen Hilfe von einem gestandenen Campingexperten wie mir beim Anlassen ihres Generators. Gentleman wie ich bin, schwinge ich mich natürlich sofort aus unserem Wohnmobil und folge ihnen zu ihrem Fahrzeug wo mich zwei weitere Damen sehnsuchtsvoll erwarten. In maskuliner Manier reiße ich selbstbewusst ein paar Verblendungen zur Seite, klicke willkürlich irgendwelche Knöpfe und murmele dabei unverständliche Fachbegriffe. Und tada... nach fünf Minuten brummt der Generator auch schon wie ein Kätzchen. Die Mädchen sind begeistert, überhäufen mich mit Küssen und stecken mir heimlich ihre Unterwäsche zu.

Mit stolzgeschwellter Brust kehre ich zurück zu unserem Camper, wo mich das vertraute Geräusch unseres heutigen Camping-Nachbarn empfängt: "Rattatatatatatata..." Hier ist er nun, der Nachfolger unseres alten Nemesis, Knatterkönig Knattattat II. mit seinem treuen Turbogenerator "Tinitus". Eine Kippe im Mund und einen Kläffer an der Leine steht er vor seinem schwarzen Pickup und lauscht andächtig den disruptiven Klängen seiner Knattermaschine, während seine Geliebte es ihm inmitten des vor ihrem Wohnanhänger ausgebreiteten Unrats gleichtut. Unterdessen fragt mich Lisa, ob sich in der von innen an das Wohnmobilfenster gepressten Melange aus Decken, Hausmüll und Kleinkindern auch eine Leiche verbergen könnte. Dem ehemaligen Knatterkönig aus den Ruby Mountains vor etwa drei Jahren steht diese Klischeefamilie jedenfalls in nichts nach. Und sie setzt sogar noch einen drauf: Während ihr Amtsvorgänger den Generator ab 23:00 Uhr ausschaltete und dann erst wieder pünktlich um 7:00 Uhr startete, lassen die neuen Platzhirsche ihre Höllenmaschine einfach konsequent die ganze Nacht hindurch laufen. Misstrauisch und ängstlich beäugen sich die umstehenden, vom Lärm gebeutelten Mit-Camper. Doch wer wäre schon tollkühn genug, Knatterkönig Knattattat II. die Stirn zu bieten?

Tag 23 - Jäger des verlorenen Schatzes

Heute heißt es mal wieder zeitig aufstehen und auf zum Shuttle-Parkplatz. Der Moraine Lake gehört ebenfalls zu den Klassikern hier vor Ort, darf aber nicht mit eigenem fahrbaren Untersatz besucht werden. Da er zudem - wie viele andere sehenswerte Plätze in der Gegend - sehr überlaufen sein soll, haben wir schon vor Wochen den frühestmöglichen Bus reserviert und finden uns nun um 6:30 Uhr an der Haltestelle ein. Da der öffentliche Nationalparkbus aber nicht der einzige Anbieter ist, der die Leute in Scharen zum See karrt, ist trotzdem bereits einiges los, wie wir nach unserer Ankunft feststellen müssen. Wir klettern auf den großen Steinhügel am unteren Ende des Sees und werfen einen ersten Blick darauf: Hübsch anzusehen, wenn auch aufgrund der frühen Uhrzeit und der ihn umgebenden Berge noch im Schatten.


In aller Ruhe gehen wir eine Runde bis zum anderen Ende des Sees spazieren..



... und fragen uns derweil, wer um Himmels Willen 160 CAD bezahlt, um eine Stunde mit dem Kanu über den See zu paddeln. Als wir auf dem Rückweg wieder am Bootsverleih vorbei kommen, staunen wir daher nicht schlecht, dass tatsächlich alle Boote vermietet sind und bereits weitere Paddelwillige anstehen. Das Fotografenauge ist natürlich auch not amused: So ein vereinzeltes kleines Bötchen auf einem großen See kann ja durchaus romantisch wirken, aber inzwischen ist der gesamte Moraine Lake mit bunten Kanus bedeckt. Egal, die Sonne hat den See sowieso noch nicht erreicht; allerdings haben wir hier auch nicht viel anderes mehr vor. Daher vertreiben wir uns noch einige Zeit im Souvenirshop und beim Verzehr eines im Café erworbenen Muffins. Inzwischen bescheint die Sonne immerhin einen Teil des Sees, sodass wir noch einmal den anfänglichen Aussichtspunkt besteigen.

Was man auf dem Foto nicht sieht: Die Menschenmassen am Aussichtspunkt sowie die gefühlt 187 Boote auf dem See. Romantisch ist anders, aber wir haben es gesehen und können nun wieder gehen. Noch ein kurzer Stopp an den Toiletten und die sich anschließende Frage, wie um alles in der Welt Menschen es binnen kürzester Zeit schaffen, das ruhige Örtchen dermaßen zu verunreinigen, dann schnappen wir uns den nächsten Bus zurück zum Parkplatz.

Wir machen uns auf den Weg zum Johnston Canyon, finden aber leider keinen freien RV-Parkplatz. Umso mehr freuen wir uns, dass die normalen Parkplätze so lang sind, dass unser Wohnmobil trotzdem drauf passt. Und umso mehr ärgern wir uns, als einer der Parkplatzeinweiser uns mitteilt, dass wir hier nicht stehen dürfen. Der Grund dafür bleibt uns leider verborgen. Direkt neben dem Parkplatz befindet sich unser Campingplatz, aber es ist erst 11:00 Uhr und Check-In eigentlich erst 14:00 Uhr. Wir versuchen es trotzdem und Christoph überredet Dr. Labertasche am Eingang, dass wir zu unserer reservierten Site fahren dürfen, um zu schauen, ob sie schon frei ist. Wir müssen ihm allerdings versprechen, niemanden anzusprechen, falls der Platz noch besetzt sein sollte, da einige Camper darauf sehr aggressiv reagieren würden. Hätten wir sowieso nicht gemacht, aber die Frage stellt sich zum Glück auch nicht, da keiner mehr da ist. Wir machen eine Pause, stellen aber recht schnell fest, dass es - und das ist doch wirklich mal eine Seltenheit - hier zu heiß ist, um den ganzen Nachmittag nur rumzusitzen.

Spontan fahren wir daher zum Lake Minnewanka, einem Erholungsort zum Bootfahren und Baden. Wir suchen uns ein schattiges Plätzchen und ich plansche mit Sophia ein bisschen mit den Füßen im Wasser. Dann lesen wir eine Weile im Schatten auf unserer Decke und ein besonders freches Squirrel erheitert uns, weil es derart von unseren Blaubeerkeksen angezogen wird, dass es sogar über Christophs Rücken klettert. Abgegeben haben wir ihm natürlich trotzdem nichts.

Auf dem Rückweg essen wir nochmal in Lake Louise, während es wie aus Eimern schüttet. Zurück auf dem Campground fällt unser Fazit für den heutigen Tag doch ganz gut aus, auch wenn wir nach den Umplanungen der letzten Tage und mit Blick auf die sehr durchwachsene Wettervorhersage ursprünglich nicht so richtig wussten, was wir damit anfangen sollten. Also alles gut gelaufen, nur eine Frage beschäftigt mich seit einer Weile und ich stelle sie am Abend endlich laut: Wo ist eigentlich unser Autoschlüssel?

Ich hatte ihn vor einer Woche in zwei kleinere Schlüsselbünde aufgeteilt, weil der große einfach nicht für Hosentaschen gemacht ist und überhaupt: Warum soll ich denn die ganze Zeit zwei Schlüssel (Zündschlüssel, Funköffner und Anhänger) mit mir rumschleppen? Das klappte auch ganz gut: Der große Schlüsselbund mit den Zusatzschlüsseln für die Hintertür und die Außenklappen blieb meist im Wohnmobil, weil wir den eh nur am Campingplatz brauchen. Nur jetzt ist er eben weg, was irgendwie doof ist, weil wir dann nicht mehr an unsere Koffer und die Wasservorräte kommen und vor allem findet Fraserway das vermutlich auch nicht so lustig, wenn wir ihre ganzen Schlüssel verbummelt haben. Was das wohl kostet, die Schlösser inklusive Funköffner auszutauschen?

Ich weiß, dass ich ihn bei unserer Mittagspause auf dem Campingplatz noch hatte, weil ich unsere Wasservorräte gezählt habe, aber danach hat ihn niemand mehr gesehen. Wir gehen mehrfach den Ablauf des Nachmittags durch, drehen die Rucksäcke auf links, suchen in Schränken, unterm Tisch, in Schuhen - der Schlüssel bleibt verschwunden. Wie kann das sein? Habe ich ihn bei unserer Mittagspause draußen auf dem Tisch vergessen? Nein, ich habe kurz vor der Abfahrt noch meine Sonnenbrille reingeholt, da hätte ich doch den Schlüssel gesehen. Hat er sich auf dem Weg zum Lake Minnewanka in unsere eingerollte Decke verirrt und ist unterwegs rausgefallen? Nein, das hätten wir doch sicher mitbekommen. Nachdem wir an allen mehr oder weniger naheliegenden Stellen gesucht haben, fängt Christoph an, systematisch alle Schränke leer zu räumen. Und während wir uns einreden, dass es (mal abgesehen natürlich von den vermuteten finanziellen Folgen) gar nicht sooo schlimm wäre, morgen nach Calgary zu Fraserway zu fahren, weil wir wetterbedingt sowieso nicht allzu viel vorhaben, fällt der Schlüsselbund mit Getöse zu Boden, als Christoph unsere ganzen Mützen (die ich vorher bereits zwei Mal durchwühlt hatte) aus dem Schrank räumt. Die Erleichterung ist groß!

Genug Abenteuer für heute: Der Schatz ist gefunden und wir reif fürs Bett. Dass wir morgen nun doch nichts vorhaben, kommt uns auf einmal gar nicht mehr so schlimm vor...

Sonntag, 3. August 2025

Tag 22 - Fox-Trott

Heute mal (fast) keine Seen - versprochen! Stattdessen stehen Wasserfälle im Yoho Valley auf dem Programm.

Gegen 8:00 Uhr starten wir unsere Fahrt. Der Himmel strahlt in einem so wolkenlosen Blau, dass es mir langsam unheimlich wird. Was ist nur aus meinem vertrauten "kanadagrau" geworden? Nach etwa zwanzig Minuten erreichen wir eine Switchback-Sektion, die Lisa zuvor Kopfschmerzen bereitet hat, weil die offizielle Beschilderung längeren Fahrzeugen rät, diese aufgrund der recht engen Kehrtwende vorwärts-rückwärts-vorwärts fahrend zu überwinden. Freilich stellt sich die Angst erwartungsgemäß als unbegründet heraus. Mit einmal zurücksetzen lassen sich alle Serpentinen ohne Weiteres vorwärts bewältigen.

Am Parkplatz angekommen lassen wir die nahegelegenen und bekannteren Wasserfälle, die ich mir immer nur als "Tiki-Taka-Falls" merken kann, zunächst rechts liegen und steuern unsere Schritte stattdessen Richtung Laughing Falls. Warum die lachen sollen, bleibt mir ein Rätsel. Bei uns haben sie nur gut ausgesehen, was mir als Belohnung für die insgesamt zehn Kilometer lange Wanderung aber auch reicht.


Auf dem Rückweg entscheiden wir uns dafür, noch einen kleinen Umweg zu einem auf Schildern angepriesenen See auf uns zu nehmen. Dieser stellt sich jedoch als unspektakuläre Lichtung heraus, da er derzeit weitgehend ausgetrocknet ist.


Immerhin habe ich einen schnieken Steinpilz am Wegesrand gefunden.


Ebenfalls schade: Obwohl hier überall aufgrund aktueller Sichtungen eindringlich vor Bären gewarnt wird, lässt sich keiner der kuscheligen Freunde bei uns blicken. Trotzdem insgesamt ein sehr schöner Trail, bei dem wir auf Sophias Geheiß diesmal in die Rolle von Füchsen zu schlüpfen hatten. Selbstredend verfügte unsere Familie Fuchs auch über einen Fernseher, auf dem fortwährend entweder Fox News oder ein Streifen mit Megan Fox und Michael J. Fox lief.

Anschließend noch kurz zum Tiki-Taka-Wasserfall, der wahrhaft gigantisch hoch ist. Ebenfalls gigantisch ist allerdings auch das Besucheraufkommen, sodass es uns zwischen Sommerkleidern, Bollerwagen und kreischenden Kindern nicht allzu lang hier hält.


Stattdessen düsen wir zurück nach Lake Louise und holen das verpasste Mittagessen von gestern Nachmittag nach. Gleichsam bemühe ich mich bereits um erste Alternativplanungen, denn am Wochenende soll endlich wieder der bewährte kanadische Dauerregen einsetzen. Dann wird noch gedumpt und anschließend etwas am Bow River geplanscht.


Besonders genial heute: Unser Vorgehen bei der noch immer offenen Aufgabe, die nasse Zeltausrüstung endlich wieder zu trocknen. 16:00 Uhr lege ich sie in die Sonne. 16:15 Uhr schlendern wir zum Bow River. 17:30 Uhr setzt spontan Regen ein, der sowohl uns am Bow River als auch die Zeltausrüstung am Campingplatz komplett einsaut. 17:45 Uhr schmeißt Lisa die nun noch viel nassere Zeltausrüstung nach einem kurzen Sprint wieder zurück ins Wohnmobil.

Im Übrigen stand heute ein Abschied an. Da mein toller Schnauzer auch nach vier Tagen weder Lisa noch Sophia überzeugen konnte ("Du siehst so blöd aus, Papa!"), muss er heute wieder gehen. Und das obwohl ich ihm zum Dank gestern das erste Mal in meinem Leben auf einem Parkplatz nach einem Starterkabel gefragt worden bin! Der Trucker-Look gefällt halt leider nicht jedem...

Freitag, 1. August 2025

Tag 21 - Powerless

Am heutigen Morgen passiert etwas ganz Verrücktes: Sophia ist die Erste, die ihr Bett verlässt. Es ist bereits kurz vor 8:00 Uhr und Christoph und ich sind gerade so leidlich wach. Tatsächlich hat uns unser Zeltabenteuer mit der ganzen Aufregung mehr zugesetzt als gedacht, sodass wir uns für heute einen entspannten Tag vorgenommen haben. Und dieser beginnt eben mit Ausschlafen, was überraschenderweise sogar Christoph gelingt. Der Himmel ist - ebenso überraschend - schon wieder strahlend blau, sodass wir zum ersten Mal seit zwei Wochen wieder draußen frühstücken. Allerdings auf der unbesetzten Nachbarsite, denn dort ist es sonniger.

Geplant sind heute kleinere Wanderungen, die man aufgrund der leichten Wegführung ohne nennenswerte Höhenänderungen wohl eher als Spaziergänge bezeichnen kann. Los geht's an den Wapta Falls, wobei die ca. einen Kilometer lange Zufahrt zum Parkplatz in Folge ihrer immensen Anzahl und Tiefe an Schlaglöchern gut geeignet ist, den Inhalt sämtlicher Schränke einmal gehörig durcheinander zu wirbeln. Wir gehen heute mal ganz mutig ohne vollbepackte Rucksäcke, nur mit einer kleinen Flasche Wasser bewaffnet los und fühlen uns so richtig frei. Daher nimmt Sophia also immer die Kraft, wie ein junges Reh die anstrengendsten Steilhänge hochzuhüpfen. Na gut, ganz so fit wie die Jüngste im Bunde sind wir vielleicht doch nicht, aber immerhin können wir heute beim alltäglichen Pferderollenspiel mal tatsächlich am Wettrennen teilnehmen. Ganz so energielos sind wir nach den letzten Tagen also doch nicht.

Die Wasserfälle sind ganz hübsch anzusehen...


... und der etwa fünf Kilometer lange Spaziergang tut wirklich gut. Wobei er noch etwas entspannter hätte sein können, wenn wir nicht auf dem Rückweg aufgrund eines unerwartet dringenden Toilettenbesuchs im Stechschritt hätten laufen müssen. Egal, im strahlenden Sonnenschein rumpeln wir auf der Schotterpiste zurück zum Highway und fahren zum Abzweig zum Emerald Lake. Hier hatte die digitale Anzeige für uns etwas überraschend schon vor knapp zwei Stunden verlauten lassen, dass der Parkplatz voll sei. Unser Mut sinkt, als bereits einen guten Kilometer vor dem eigentlichen Parkplatz der Straßenrand zugeparkt ist und sich Menschenmassen auf der Straße in Richtung See bewegen. Na, so wird das wohl nichts mit einer Stellfläche für unser Wohnmobil und wenn hier so viel los ist, haben wir doch auch eigentlich gar keine Lust... Am offiziellen Parkplatz angekommen kurbele ich das Fenster runter, um mir von dem freundlichen Einweiser das Offensichtliche bestätigen zu lassen und umzukehren - so dachte ich. Stattdessen erklärt er uns, wo genau wir parken dürfen, während die auf der Straße aufgebaute Barrikade nur für uns zur Seite geräumt wird. Wir sind ganz perplex, nehmen diesen Wink des Schicksals aber dann doch dankbar an und begeben uns zum See. Gut sieht er ja aus, aber die Menschenmassen sind wirklich schwer zu ertragen. Wir laufen ein Stück der Seeumrundung bis zu einer Stelle, wo etwas weniger los ist, und Sophia planscht ein bisschen im erfrischenden Wasser.



Dann haben wir auch schon genug und machen uns zurück auf den Weg nach Lake Louise, um in dem leckeren Lokal von gestern zu speisen. Wir sind alle richtig hungrig und voller Vorfreude auf ein leckeres Mahl. Am Eingang zum Städtchen verheißt die digitale Anzeige dann allerdings nichts Gutes: Stromausfall! Na das hat uns ja in unserem Bingo der Dinge, die man im Urlaub nicht braucht, noch gefehlt. Wir versuchen es trotzdem beim Restaurant, aber es ist geschlossen, ebenso wie die daneben befindliche Tankstelle. Okay, Plan B: Wir fahren zum Campingplatz und kochen. Fünfzehn Minuten vor der offiziellen Check-in-Zeit werden wir bereits eingelassen (mit dem Hinweis, dass es auch hier gerade keinen Strom gibt) und bereiten uns mithilfe des Gaskochers Nudeln zu. Danach ein verdientes Päuschen im Camper, aber es ist tatsächlich so warm heute, dass es im Wohnmobil schnell zu heiß wird, weswegen wir zu einer Nachmittagswanderung am Bow Lake aufbrechen. Es geht also nochmal ein Stück des Icefields Parkway im Sonnenschein entlang, um zu sehen, wie dieser in der letzten Woche hätte aussehen können, als wir nur Tag für Tag den Ort mit dem wenigsten Regen gesucht haben...

Am Bow Lake ist uns das Parkplatzglück erneut hold und wir können direkt zum Spaziergang am See starten. Auch hier viele Menschen, aber je weiter man läuft, desto einsamer und schöner wird es. Ein herrlicher Nachmittagsspaziergang.


Trotz erneut über 20.000 Schritten sind unsere gestern noch müden Glieder nun hoffentlich erholt genug für ein paar letzte Abenteuer. Auch der Strom in Lake Louise ist zurück, was ich mal als gutes Zeichen sehe. Nun müssen wir nur noch gut schlafen, was bei nächtlichem Güterverkehr auf den Bahnschienen knapp 100 Meter hinter dem Campingplatz sowie einer Nachbarin mit fiesem Bösewichtslachen nebst einem Trio kläffender Vierbeiner gar nicht so einfach ist wie es sich anhört.

Donnerstag, 31. Juli 2025

Tag 20 - Himmel und Hölle

Wohl noch nie haben wir so viel Aufwand betrieben und so viele Entbehrungen auf uns genommen, um eines unserer Wunschziele erreichen zu können: erbitterter Aktualisierungsmarathon bei der Campground-Reservierung, Beschaffungs- und Transportmühen für das Zelt-Equipment, der übliche Stress der Shuttlebusfahrt, Starkregen und Hagel am Anreisetag, eine bitterkalte Nacht in einem pitschnassen Zelt und schließlich dessen frühmorgendlicher Abbau mit blaugefrorenen Fingerkuppen. Und hier ist er nun: Unser Tag auf dem Opabin Plateau!

Nach der - einer näheren Darlegung nicht würdigen - Verladung der unverändert tropfnassen Zeltplanen in der dazugehörigen Tragetasche schreiten wir gegen 7:30 Uhr frühstückslos Richtung Lake O'Hara. Der Himmel zeigt sich strahlend blau; kein Wölkchen ist zu sehen. Am Westufer des Sees zweigt rechtsseitig ein Weg hoch zum Opabin Plateau ab, auf den wir unsere Schritte lenken. Zunächst geht es östlich am Mary Lake entlang und sodann 200 Höhenmeter steil nach oben. Gar nicht so einfach ohne energetische Grundlage, die weiterhin auf etwas Sonnenschein wartend in unseren Rucksäcken harrt.

Nach etwa einer Stunde haben wir das Opabin Plateau erreicht und biegen zunächst nach links ab, um einen der berühmtesten Ausblicke in den kanadischen Rocky Mountains genießen zu können: den Blick vom Opabin Prospect. Nach weiteren fünfzehn Minuten stehen wir dann auch schon an der entsprechenden Felskante und warten - unsere mitgebrachten Bagel verzehrend - darauf, dass die Sonne zunächst uns, dann den grünlich schimmernden Mary Lake und schließlich den himmelblauen Lake O'Hara zum Leuchten bringt. Nachdem sie uns diesen Gefallen ca. 9:30 Uhr tut, wird erstmal ausgiebig gepost. Warum auch nicht? Außer uns ist kein Mensch hier. Was für ein Privileg, einen solchen Moment ganz allein genießen zu können!

Sowohl als Weitwinkel-...


...als auch als Panorama-Aufnahme ein Knaller - der Blick vom Opabin Prospect:

Gegen 10:00 Uhr geht es weiter. Wir haben schließlich noch viel vor. Immerhin soll das gesamte Opabin Plateau durchschritten werden. Also lenken wir unsere Füße wieder nach Süden und beginnen eine Expedition in eine so kitschig-schöne Traumwelt, dass man sich bisweilen die Augen reiben muss. Überall rauschen Bächlein durch wildblumendurchzogene Auen und münden in perlenschnurartig aneinandergereihte kristallklare Bergseen. Alle 200 Meter auf den wunderbar naturnah angelegten Wegen ergibt sich ein neuer Ausblick, der zum Schwärmen einlädt. Himmlisch! Ich lasse einfach mal die Bilder sprechen.

Cascade Lakes:


Moor Lakes:


Hungabee Lake:


Bis zum Scheitelpunkt unserer Wanderung am Opabin Lake treffen wir bis auf einen einzigen, uns entgegenkommenden Hiker überhaupt niemanden. Das frühe Aufstehen hat sich also absolut gelohnt. Am Opabin Lake sehen wir dann schon aus der Entfernung zwei Grüppchen stehen, lassen diesen deswegen kurzerhand aus und machen uns stattdessen sogleich auf der gegenüberliegenden Seite des Plateaus auf den Rückweg. Wir haben ohnehin schon einen absoluten Lake-Overload! Noch ein paar Impressionen von der anderen Seite der Hochebene.


Die Kehrseite der Medaille soll nicht verschwiegen werden. Das Opabin Plateau ist ein Nonstop-Paradies im wahrsten Sinne des Wortes. Man darf niemals länger als fünf Minuten rasten, muss also pausenlos laufen und laufen und wieder laufen. Warum? Weil man sonst riesigen Insektenschwärmen zum Opfer fällt, die sich erbarmungslos auf jedes Lebewesen stürzen, das sich nicht in steter Bewegung befindet. Allem Bugspray zum Trotz kommen sie und stechen unentwegt durch Hosen und Shorts, Jacken und Mützen, bis sie schließlich alles Blut aus ihrem Ziel gesogen haben. Die reinste Moskito-Hölle! Bedingt hilfreich ist nur eins: Immer in Bewegung bleiben.

Wieder unten am Lake O'Hara angekommen, ist von der Insektenplage auf dem Opabin Plateau nichts mehr zu spüren. Wir rasten endlich und verarbeiten die unglaublichen Eindrücke der letzten Stunden. Was für eine Wanderung!

Da ist es auch nur ein kleiner Wermutstropfen, dass es im Schmalspurcafé "Le Relais" am Trailhead keinen Karottenkuchen mehr gibt und wir noch 90 Minuten auf unseren Shuttle zurück zum Parkplatz am Rande des Highways warten müssen, auf welchem unser liebes Wohnmobil treudoof seiner Besitzer harrt.

Was für ein schönes Gefühl endlich wieder dessen wohlig-vertrautes Innenleben zu betreten! Hier sind sie, die lang vermissten Annehmlichkeiten moderner Zivilisation: Ein kuschelig warmes Bett, ein gut gefüllter Kühlschrank und vor allem ein eigenes Klo ohne die wohl unvermeidlichen Spuren aller sonstigen Benutzer!

Nach einem leckeren Mittag und einem kleinen Einkauf findet Lisa noch Kraft, unser Zeltgepäck ordentlich zu verstauen; ich matte geschafft auf dem Bett ab. Am Abend wird dann geduscht, wobei sich wieder die Frage auftut, warum so viele kanadische Campgrounds nur die Einheitsduschtemperatur "Hummer blau" zur Verfügung stellen, auf dem Spielplatz geturnt und schließlich Abendbrot gegessen. Meine danach verbleibenden Kräfte reichen schlussendlich gerade noch zum Verfassen dieses Blog-Beitrags; dann falle ich in tiefen Schlaf.