Dienstag, 30. April 2024

Tag 8 - Kinderdisco

Heute steht für Sophia ein besonderes Abenteuer an: das erste mal Zelten in der Wildnis. Nachdem wir noch kurzfristig ein Permit für die Coyote Buttes South in der Daily Lottery gewonnen und für Sophia einen ausnehmend kitschigen Leoparden-Schlafsack nebst Pinguin-Kopfkissen erworben haben, steht der geplanten Tour nichts Wesentliches mehr entgegen. Unser Fahrzeug soll auch geländegängig sein und der erwarteten nächtlichen Kälte beugen wir durch Mitnahme aller verfügbaren Kissen und Decken bis hin zur Picknickdecke vor.

Da die Fahrt mit etwa zwei Stunden etwas länger ist, entscheiden wir uns dafür, möglicherweise aufkommender Langeweile durch einen zuvor heruntergeladenen Kinderdisco-Remix entgegenzuwirken. Ein schwerer Fehler wie sich herausstellt, da sich die Tunes zwischen Ballermann und Nervenheilanstalt als derartig penetrant eingängig erweisen, dass sie sich binnen kürzester Zeit unüberschreibbar ins Frontalhirn einbrennen. So wird der heutige Tag in meiner Erinnerung nun für alle Zeiten untrennbar mit Meilensteinen deutscher Dichtkunst wie "Löschi-di-lösch-lösch und Schlauchi-di-Schlauch, Flammi-di-Flamm-Flamm und Rauchi-di-Rauch" unterlegt sein.

Der unheiligen Trias aus tiefem Sand, tückischen Steinen und tödlichen Songs trotzend erreichen wir gleichwohl gegen 12:00 Uhr wohlbehalten unser Zielgebiet und starten sogleich mit dem Aufbau unseres nächtlichen Domizils auf dem Paria Plateau. Das klappt überraschend gut, führt aber in der Folge dazu, dass Sophia es dort drin so gemütlich findet, dass sie verkündet, selbiges bis zum Abend nicht mehr zu verlassen.

Insofern braucht es zunächst einiges an Überredungskunst, zumal der Beginn der Wanderung mit über einem Kilometer Tiefsand nicht besonders reizvoll erscheint. Hat man diesen aber hinter sich gebracht, erwartet einen ein wahres Feuerwerk an Formen und Farben, das selbst in dieser Gegend seinesgleichen sucht.

Nach über fünf Stunden lassen wir es schließlich gut sein, essen Abendbrot und bereiten unsere Schlafstätte für die Nacht vor. Zwar sind die Schlafsäcke nur für Temperaturen von 10 bis 20 Grad Celsius ausgelegt, wohingegen uns etwa 5 Grad Celsius erwarten. Mit Unterhemd, langärmeligem Oberteil, dicker Jacke, zwei Paar Socken, Mütze, Picknickdecke, Bettdecke und Kissen müsste sich das doch aber ausgleichen lassen. Zumindest hoffen wir das, während uns gegen 9:00 Uhr die Augen zufallen, nachdem ich Sophia zuvor noch 20 Minuten lang eine Geschichte von Piratenkapitän Bernhard und seiner treuen Crew aus den Piraten Tilo, Kilo, Vielo, Stielo, Nilo, Schielo und Sven erzählen durfte.

Montag, 29. April 2024

Tag 7 - Gewitterstimmung

Heute morgen begrüßt uns das gleiche trübe Wetter wie gestern. Sofern man der Wettervorhersage Glauben schenken kann, soll es erst gegen Nachmittag aufklaren, sodass für den Vormittag nicht viel auf dem Plan steht. Nach dem Frühstück fahren wir die 12 Meilen ins benachbarte Page, um unser Permit für das südliche Gebiet der Coyote Buttes abzuholen. Laut Bestätigungsmail müssen wir pünktlich 9 Uhr da sein und uns die Sicherheitsunterweisung anhören, sonst verfällt das Ticket. Klingt erstmal nicht schwierig, jedoch liegt genau zwischen unserem Campground und Page die Grenze zwischen Utah und Arizona, was zu einer Stunde Zeitverschiebung führt. Gestern noch 3 Mal nachgerechnet stehen wir natürlich pünktlich 15 Minuten zu früh vor der Tür und ... finden diese geschlossen vor. Hä, was ist denn das jetzt schon wieder? Während Christoph versucht, auf den 17 verschiedenen Hinweisschildern an der Tür die passenden Informationen zu finden, erspähe ich durch das Fenster, dass gerade eine andere Sicherheitsunterweisung stattfindet. Als diese beendet ist, wird die Tür geöffnet und wir bekommen nach Vorzeigen des Ausweises und einer Unterschrift das gewünschte Ticket. Auf unseren Hinweis, dass wir schon zwei Mal dort waren, begnügt sich die junge Frau anstelle eines langen Vortrags erfreulicherweise mit einigen kurzen Hinweisen und wir dürfen wieder abtraben.

Zurück im Camper vertreibt sich Sophia die Zeit am Laptop, während Christoph versucht, schon mal alles für die geplante Zeltübernachtung am nächsten Abend vorzubereiten. Sein Plan, das Zelt einmal testweise aufzubauen, scheitert am plötzlich aufkommenden Sturm, sodass ich ihm zu Hilfe eilen muss, bevor der Wind das Zelt in Einzelteilen davonträgt. Die Stimmung im Wohnwagen passt zu dem Gewittergrollen draußen über dem See und am Ende ist Sophia diejenige, die uns wieder beruhigt, indem sie mitten in einer Diskussion nüchtern feststellt, dass sie gar nicht wisse, warum wir eigentlich streiten. Wir eigentlich auch nicht... Also spielen wir erstmal alle zusammen eine Runde Rummikub, während der Sturm draußen derart tobt, dass ich mich ängstlich frage, wieviel Wind es eigentlich braucht, um so einen Wohnanhänger umzublasen.

Als es um die Mittagszeit draußen endlich ruhiger wird und die Sonne sich blicken lässt, sind wir froh, auch endlich rauszukommen. Christoph freut sich schon auf die nächste Dirtroad - die Cottonwood Canyon Road, die in wesentlich besserem Zustand ist als bei unserem ersten Besuch hier 2013. Etwa eine Stunde nach dem Start halten wir am Trailhead für eine kleinere Wanderung zum Cottonwood Hoodoo. Hierfür hüpfen wir zunächst über einen wenig Wasser führenden Wash und verlaufen uns anschließend zwei Mal kurz. Dabei verläuft der Weg, den wir zuerst entdecken, einfach zu weit von den bekannten GPS-Koordinaten entfernt, während der zweite Trail nur was für waghalsige bis lebensmüde Abenteurer ist. Beim dritten Versuch entdecken wir aber einen für uns akzeptablen Aufstieg, der mal wieder über Stein und Geröll an einer Felswand entlang recht steil nach oben führt.

Oben angekommen geht es ein Stück ohne große Steigungen weiter durch ein kleines Wäldchen. Hier sind wir endlich mal etwas windgeschützt und es ist richtig idyllisch hier oben. Sogar ein paar Gänseblümchen lassen sich finden, die postwendend zur Verschönerung von Christophs Cappie zum Einsatz kommen.

Es folgt mal wieder ein steiler Aufstieg über nackte Felsen, aber dann haben wir es geschafft und genießen einen grandiosen Rundumblick.

Die Pause fällt etwas kürzer aus als gedacht, da es hier oben ganz schön stürmt. Es geht auf dem selben Weg zurück und geübt, wie wir inzwischen auf solchen Trails sind, stehen wir in Nullkommanix wieder am Auto. Es ist inzwischen schon etwas später als ursprünglich angepeilt und wir düsen noch schnell zum Walmart für ein paar letzte Besorgungen. Anschließend möchte Sophia unbedingt nochmal im selben Lokal essen wie am Abend zuvor, weil ihr die Hähnchenfinger mit Pommes so gut geschmeckt haben. Leider ist es hier zum Samstagabend ganz schön voll und so müssen wir uns auf einer Liste eintragen lassen und bekommen eine Wartezeit von etwa 30 Minuten genannt. Ganz eventuell ließe sich auch ein anderes Restaurant finden, in dem man Hähnchen und Pommes bekommt, aber Sophia besteht auf eben jener Lokalität. Praktischerweise teilt sich das Restaurant einen Eingang mit einem Souvenirladen, wo wir uns die Wartezeit damit vertreiben, uns von Sophia alle möglichen Kuscheltiere und sonstige glitzernde Accessoires präsentieren zu lassen. Schließlich sind wir aber an der Reihe, bekommen ein leckeres Abendessen und kehren im Anschluss im Dunkeln an unseren Campingplatz zurück. Nachdem wir die letzten Hürden (Auffinden des richtigen Trailers am unbeleuchteten Strand und Wecken des im Auto eingeschlafenen Kindes) genommen haben, wird es höchste Zeit fürs Bett, denn am kommenden Tag steht uns mit der ersten Zeltübernachtung zu dritt schon ein neues Abenteuer bevor. 

Tag 6 - Der Murkstag

Es gibt so Tage... und das ist einer von ihnen.

Zum Aufstehen begrüßt mich ein wolkenverhangener, grauer Himmel, der laut Wetterbericht ganztägig anhalten und in Sturm und Regenwetter übergehen soll. Naja, mache ich es mir eben mal drinnen mit der Familie gemütlich. Aber halt: Sophia lässt im Bett neben Mama und ihren Kuschelaffen liegend sogleich verlautbaren: "Wir sind alle eine Familie - außer Papa." Dann eben nicht. Vielleicht sollte ich mir den Spruch auf ein T-Shirt drucken lassen.

Demnach verbringe ich den Morgen mit Mist-Aufgaben: Aufräumen, abwaschen, abtrocknen, vorm Klohäuschen rumlungern, während drinnen Laptop und Toniebox an der Steckdose für elektrische Rasierer laden etc. Lisa näht derweil unsere zerschlissene Ausrüstung wieder zusammen und Sophia schaut sich irgendwelchen Quatsch mit Einhörnern an.

Dann soll es vor Verlassen des Campgrounds noch ans Dumpen im mittlerweile strömenden Regen gehen. Also hüpfe ich leichtfüßig aus dem Auto, öffne die Seitenklappe an der Stoßstange und schaue wortwörtlich in die Röhre. Der Schlauch ist in die Mitte gerutscht und nicht mehr zu erreichen. Auch von der anderen Seite kommt man natürlich nicht ran. Also wird ein Stock gesucht und nach mehreren Fehlversuchen mit meinem Unterarm bis zum Ellbogen tief in der Scheißeschlauch-Aufbewahrungsbox gelingt es mir endlich, den Schlauch auf der anderen Seite herauszudrücken. Juchhu, jetzt muss ich nur noch hier ziehen und... - was zum Henker ist das denn jetzt?! Der Schlauch lässt sich nur zur Hälfte rausziehen und hängt dann fest. Auch wenn ich wie ein Elch dran zerre und drehe, ändert sich nichts. Also das gleiche Spiel nochmal auf der anderen Seite und auch hier: Nichts! Es geht keinen Millimeter weiter. Mittlerweile bin ich völlig nass, durchgefroren und habe komplett die Schnauze voll. Der Anruf bei der Wohnmobilvermieterin Jessica fördert die Erkenntnis zutage, dass sich die Stoßstange bei Kälte verziehen kann, wodurch der Schlauch dann klemmt. Na dann ist das ja ein ganz toller Spot zum lagern für so ein Drecksteil...

Also lassen wir das dumpen erstmal, ordern über Walmart einen neuen Schlauch und fahren mit vollen Tanks eine zusätzliche Stunde (oneway!) zum nächstgelegenen Walmart, um das Teil abzuholen. Dort angekommen stellen wir uns aus Gründen der Zeitersparnis quer auf die vorderen überdachten Pickup-Parkplätze und ich hetze schnell ins Kaufhaus. Dort klappt alles einwandfrei und binnen weniger Sekunden bin ich stolzer Besitzer eines nigelnagelneuen Abwasserschlauchs. Gerade will ich Lisa freudig meine Neuanschaffung präsentieren, da ruft sie mir schon aus dem Auto kläglich entgegen, dass etwas ganz schlimmes passiert sei, sie sich aber nicht traue, nachzusehen. In meinem Kopf rattert es - was denn nun schon wieder? Kind eingepullert? Opa überfahren? Unterwäsche passt nicht zur Jacke?

Nein - in Wirklichkeit ist es noch schlimmer. Lisa eröffnet mir, dass sie "glaube", den Trailer beim einparken beschädigt zu haben. Und tatsächlich genügt ein kurzer Blick nach oben, um zu sehen, dass die auf dem Trailerdach befindliche Klimaanlage und die Parkplatzüberdachung zu einer bunten Melange verschmolzen sind. Also vorsichtig rückwärts hinausmanövriert und es zeigt sich...


...eine offene Stelle auf dem Dach!

Freitag, 14:30 Uhr. Der Wind tost. Es nieselt. Für den späten Nachmittag ist ein schweres Unwetter angekündigt. Und wir haben ein Loch in unserem Dach und keine Ahnung, was wir jetzt tun sollen. Also rufen wir unsere Vermieterin an, die zumindest ebenso entsetzt klingt wie wir uns fühlen. Falls das Fiberglas beschädigt sei, dürfe dieses auf keinen Fall mit Wasser in Kontakt kommen, wird uns mitgeteilt - sonst drohe ein Totalschaden. Woher zum Teufel soll ich denn wissen, ob der Mist beschädigt ist? Wie sieht Fiberglas denn überhaupt aus? Dann heißt es, wir könnten uns eine Leiter im Walmart leihen und das Loch erstmal tapen. Ich soll also bei Sturmwind und Regen auf das Wohnmobildach klettern und planlos an einem Loch mit Klebeband rumhantieren? Ist ja eine richtig tolle Idee... Schließlich einigen wir uns darauf, dass wir zur nächsten Werkstatt fahren, die aber auch schon 15:00 Uhr schließt! Also brausen wir einmal quer durch die Stadt und an der dritten Tür im Gewerbegebiet findet sich tatsächlich noch irgendjemand, der irgendetwas von Fahrzeugen zu verstehen vorgibt. Rasch schnappt er sich eine Leiter und kraxelt hinauf, um sich die Misere anzusehen. Auf meine Bitte um Fotos für die Versicherung deutet er mir, mein Mobiltelefon zu ihm hochzuwerfen. Ja, ist denn heute der Tag der beknackten Vorschläge? Selbstverständlich werfe ich mein Handy nicht bei Wind und Regen zwei Meter durch die Luft nach oben! Also klettere ich selber mit hoch und er zeigt mir,...


...dass tatsächlich bloß die äußere Plastikabdeckung beschädigt ist. Nur wenige Zentimeter haben gefehlt, dann hätte es die Klimaanlage selbst erwischt und gegebenenfalls aus dem Dach herausgehebelt! So aber beschränkt sich der Schaden auf etwa 250 $ und muss auch nicht sofort behoben werden. Die Dachhaut ist nämlich weiterhin dicht und sogar die Klimaanlage unverändert voll funktionsfähig. Da fällt uns aber ein riesiger Stein vom Herzen, sahen wir unseren ersten Reiseabschnitt doch schon ein jähes Ende finden!

Also wird jetzt zum Runterkommen nur noch schnell gegessen, getankt und gedumpt (funktioniert nun einwandfrei) und dann geht es sofort ab zum nahegelegenen Campingplatz. Dort angekommen zeigt sich wider Erwarten noch einmal kurz die Sonne, was wir für einen kleinen Strandspaziergang nutzen.



Im Großen und Ganzen ist zum Glück alles halbwegs gut ausgegangen. Aber noch einmal brauche ich so einen Murkstag in diesem Urlaub ganz sicher nicht.

Samstag, 27. April 2024

Tag 5 - Drahtseilakt

Heute ist der Tag der Tage gekommen: Die größte Wanderung des Urlaubs steht an - sowohl hinsichtlich ihrer Länge als auch im Hinblick auf die zu überwindenden Höhenmeter - und zugleich die Begleichung einer offenen Rechnung. Unser heutiges Ziel sind die White Domes in der Canaan Mountain Wilderness. Bereits zwei Mal standen sie auf unserer To-Do-Liste und dennoch konnten wir bislang auf keiner Reise einen Haken an dieses Ziel setzen. Nun haben wir aufgrund unserer Reiseroute nochmal die Möglichkeit, diesen Trip zu wagen, sind allerdings aufgrund eines sechsjährigen Mädchens im Gepäck bei der Auswahl unserer Wanderungen naturgemäß etwas eingeschränkt. Sollten wir es also wirklich versuchen? Der Hike ist mit ca. 12km nicht gerade kurz, mit jeder Menge anstrengender Steinkletterei verbunden und umfasst zu allem Überfluss auch noch eine langen, steilen Anstieg von über 500 Höhenmetern auf einem an einer Abbruchkante verlaufenden, schmalen Pfad.

Wie immer (und für uns Planungsenthusiasten sowieso) ist Vorbereitung alles und so stehen wir nach mehrmaligem Schauen von Videos mit der Aufzeichnung des gesamten Aufstiegs, intensiver Abwägung und dem vorsorglichen Erwerb eines Klettergeschirrs zu Sophias Sicherheit um 10 Uhr am Trailhead vom Water Canyon Trail. Eigentlich ist alles durchgeplant und wir gehen auch realistisch an die ganze Sache heran - 50:50, dass wir die White Domes erreichen. Und dann das: Der Himmel ist grau und kaum haben wir unsere ersten Schritte getan, setzt auch schon der Nieselregen ein. Das darf doch nicht wahr sein! Dass es mit etwa 18 Grad relativ kühl ist, kommt uns ja entgegen, aber der Wetterbericht hatte uns einen Sonne-Wolken-Mix mit einer minimalen Regenwahrscheinlichkeit und -menge versprochen.

Nun gut, laufen wir erstmal los, die Wolken werden sich schon gleich verziehen. Die Wanderung startet am Fluss entlang, zunächst über Waldboden, dann über Sand, und schon bald wird der Weg zu einem felsigen Kletterpfad. So bewegen wir uns langsam zwischen den links und rechts steil aufragenden Felswänden vorwärts und bei jedem Blick nach oben denke ich mir: Da hoch müssen wir? Das schaffen wir nie...

Zwischendrin scheint es so, als ob die Sonne sich durchsetzen könnte, doch unsere Hoffnungen werden regelmäßig nach wenigen Minuten von Nieselregen enttäuscht. Wir bleiben aber optimistisch und gehen weiter. Sophia kann es kaum erwarten, endlich das Klettergeschirr anzulegen und fragt alle 2 Minuten, ob es nun endlich gefährlich genug sei, damit sie das Seil ummachen kann. Ein paar Mormonen, die uns forschen Schrittes entgegen kommen, und die sich anschließende Frage, welches der einfarbigen Kleider wohl das schönste ist, sorgen kurzzeitig für Ablenkung, bis wir ein Felsplateau erreichen, wo sich der Fluss an dieser wohl schmalsten Stelle zwischen den Felswänden seinen Weg direkt über die Felsen bahnt. Ein paar kleine Sprünge über Matschlöcher und von Stein zu Stein, um dem Wasser auszuweichen und wir stehen vor einem kleinen Wasserfall, den wir etwas umständlich ganz an der Seite umklettern müssen. Mit etwa eineinhalb Metern ist diese Stufe für Sophia allein zu hoch, aber mit etwas Heben, Ziehen und Geschick kommen wir alle trockenen Fußes nach oben. Nun beginnt der schwierigere Teil des Aufstiegs und Sophia darf endlich in ihr Klettergeschirr schlüpfen und sich mit einem Seil an Christoph festbinden. Zwar erwarten wir nicht, dass unser sehr vorsichtiges Kind durch einen kühnen Sprung in den Abgrund sein Können unter Beweis stellen will, aber Vorsicht ist bekanntlich besser als Nachsicht. So klettern wir auf dem Pfad direkt an der Felswand entlang.

Es sind zum Glück bloß einige wenige Stellen, an denen der Weg nur einen knappen Meter schmal ist und wir kurzzeitig direkt am Abgrund entlang müssen. Meist sind wir durch Gestrüpp oder Felsen von der Abbruchkante abgeschirmt und müssen nur aufpassen, dass wir uns bei der ganzen Kraxelei nicht die Füße verknicken. Sophia hat jedenfalls Spaß und ist voll konzentriert bei der Sache. Praktischerweise kann Christoph ihr durch das Seil an der einen oder anderen Stelle beim Überwinden größerer Stufen helfen. Da wir nur langsam vorwärtskommen, ist es auch nicht so anstrengend wie gedacht. Das Wetter macht uns jedoch immer noch Sorgen. Es nieselt beständig weiter und als wir einen Großteil des Aufstiegs geschafft haben, beginnt es stärker zu regnen. Immer wieder fragen wir uns, ob wir nicht doch umkehren sollten. Schließlich ist das Klettern über regennasse, glitschige Felsen an einer Abbruchkante auch nicht unbedingt zu empfehlen... Wir stellen uns kurz an einem Baum unter und überlegen ernsthaft umzukehren. Die steilen Felswände links und rechts nehmen uns nicht nur die Sicht, um den Weg der Regenwolken abschätzen zu können, sondern schirmen natürlich auch das Internetsignal ab, sodass wir keine Entscheidungshilfe haben. Christoph will lieber umkehren, ich bin gerade völlig unentschlossen und wir beide haben in der letzten halben Stunde schon etwa 10 Mal unsere Meinung geändert... Was machen wir nur? Die Einzige, die die ganze Zeit unbeirrt weitergehen will, ist Sophia. Aber ob sie nun der beste Ratgeber in dieser Sache ist? Schließlich spricht Christoph ein Machtwort: Wir bringen den Aufstieg zu Ende und hoffen darauf, auf dem Felsplateau freie Sicht und bestenfalls Empfang zu haben, um über den weiteren Fortgang entscheiden zu können. So kommt es, dass wir einige Zeit später den Aufstieg komplett geschafft haben und uns völlig erschöpft (vor allem auch nervlich) für eine Pause niederlassen.

Es hat nun endlich aufgehört zu regnen und der hier oben abrufbare Wetterbericht verspricht uns, dass es auch so bleiben wird. Guten Mutes machen wir uns also auf den restlichen Weg zu den White Domes. Dass dies noch weitere 3km Wanderung, zunächst durch Gestrüpp, dann tiefen Sand und zum Schluss nochmal einen Aufstieg von weiteren 150 Höhenmetern über einen steilen Felsrücken bedeutet, war mir zunächst nicht klar und als wir am Ziel ankommen, bin ich echt kaputt. Aber die Felsformationen sehen absolut spitze aus! Da hat sich das beschwerliche Überwinden von insgesamt 680 Höhenmetern doch gelohnt. 

Wir machen nochmal eine längere Pause, essen, fotografieren und genießen die Sonne, die sich nun auch endlich zeigt. Inzwischen sind wir allerdings schon seit vier Stunden unterwegs, sodass wir uns zeitnah auf den Rückweg machen müssen. Sophia verwandelt sich wieder in die Kletterhündin Yadar und ist so auch beim Rückweg halbwegs motiviert dabei.

Vor dem Abstieg atmen wir nochmal tief durch, stecken Sophia wieder in ihr Klettergeschirr und machen uns an die Arbeit. Manche Passagen sind leichter, andere schwerer als auf dem Weg nach oben. Wir bewegen uns daher äußerst langsam und vorsichtig vorwärts über die Felsen, die glücklicherweise nicht auch noch rutschig sind.

Ausgenommen erleichtert erreichen wir schließlich wieder das kleine Zwischenplateau mit dem Wasserfall, an dem die Kletterpartie begonnen hatte. Den Wasserfall trockenen Fußes zu umklettern ist nochmal eine besondere Herausforderung, da er nun dank des Regens etwas mehr Wasser führt als am Vormittag. Sophia hängt an ihrem Seil kurzzeitig an Christophs Hand in der Luft, während ich unten versuche sie aufzufangen, und wie durch ein Wunder stehen wir wenige Sekunden später alle komplett trocken unten. Der restliche Rückweg zieht sich wie Kaugummi und wir merken, dass wir mit unseren Kräften nun wirklich am Ende sind. Sophia ist den Tränen nahe, als Christoph verkündet, dass er den Parkplatz durch die Bäume erspäht habe und wenige Augenblicke später zugeben muss, dass er sich leider getäuscht hat. Irgendwann haben wir es aber doch geschafft und sind gleichzeitig stolz, erleichtert und todmüde. Wir fahren den kurzen Weg zurück zum Abstellplatz unseres Trailers und gönnen uns erstmal ein Eis, das Dank zwischenzeitlich entleertem Gasbehälter, über den der Kühlschrank betrieben wird, leicht flüssig ist. Schmeckt nach der Anstrengung aber trotzdem. Mehr als die Fahrt zum nächsten Campingplatz und Abendbrot essen schaffen wir heute nicht mehr, sind aber wahnsinnig froh, dass wir dieses Abenteuer gemeistert haben.

Freitag, 26. April 2024

Tag 4 - Bunte Streifen

Heute steht nun endlich die erste längere Wanderung auf dem Programm: Es geht zu den Yant Flats. Da die Temperaturen bis zum Nachmittag auf knapp 30 Grad Celsius klettern sollen, machen wir uns bereits gegen 8:00 Uhr auf den Weg und nach einer schön abenteuerlichen Dirtroad-Passage starten wir 9:00 Uhr am Trailhead.

Sophia ist bester Laune und so kommen wir derart schnell voran, dass wir kurze Zeit später eine Abbiegung verpassen und uns unversehens an einer Abbruchkante wiederfinden. Alles kein Problem - dank meiner krassen Wegfindungsskills sollen wir uns nur noch zwei weitere Male verlaufen, bis wir oberhalb des Zielgebiets aus den Sanddünen stoßen.


Sieht das klasse aus! Ein riesiges Plateau voller versteinerter, verwundener und farbenprächtiger Sanddünen breitet sich vor uns aus. Da nimmt man doch gern einige zusätzliche Höhenmeter auf sich, um sich alles etwas näher anzuschauen.



Anschließend machen wir uns dazu auf, noch das zweite, etwas versteckte Areal aufzusuchen, für das man einem ausgetrockneten und mit Gesteinsbrocken gefüllten Wash folgen muss. Sophia ist zwischenzeitlich in die Rolle der Yadar geschlüpft, der ehrbaren Kletter-Schäferhündin, die ihrer Familie treu zur Seite steht und sich an steinernen Hundekuchen labt. Im Zuge der notwendigen Klettereinlagen entwickelt sie in kürzester Zeit ein bemerkenswertes Geschick und kann tatsächlich so manche Geröllpassage eleganter als ihr alterssteifes Herrchen überwinden. Als Lohn für den Aufwand funkelt uns schon bald die knallbunte Yellow Top Section der Yant Flats an.


Auf dem Rückweg wird Yadar zwischenzeitlich etwas unleidlich, da ihr - natürlich völlig ungerechtfertigt - ein ebenso tödlicher wie unnötiger Aufstieg kurzerhand untersagt wurde. Bald schon aber bessert sich die Laune wieder, nachdem Sophia als Streifenhörnchen "Streifenstern" ihrem leicht minderbemittelten Freund, dem einfarbigen Streifenhörnchen "Streifenhörnchen", der so gern bunte Streifen hätte, unter Anwendung magischer Kräuter zur Seite stehen kann. Und so finden wir uns nach gut 10 km gegen 15:00 Uhr bei bester Laune wieder am Trailhead ein und düsen zurück Richtung St. George.

Lisa eröffnet mir unterdessen, dass ihre Schürfwunde von gestern (Frau Knickfuß schlägt zurück...) nunmehr eitert, was nicht nur eklig aussieht, sondern auch ein Infektionsrisiko darstellt, weswegen wir nach einem dringend nötigen Besuch bei Olive Garden nicht nur Wasser, sondern auch ein Antiseptikum erwerben.

Anschließend wird noch kräftig Rumikub verloren, geduscht, gelesen, verarztet und Banane gegessen bis es dann gegen 22:00 Uhr ins Bett geht. Morgen steht immerhin die mit Abstand heikelste Wanderung unseres ganzen Urlaubs an. Auf Grundlage von Länge, Höhenmetern, Expositionsgrad und Witterung habe ich die Wahrscheinlichkeiten für ein fatales Ereignis, einen stationären Aufenthalt, eine moderate Verletzung und einen sonstigen Misserfolg in dieser Reihenfolge auf 1,7 Prozent, 0,8 Prozent, 18,4 Prozent und 57,5 Prozent taxiert. Konzentrieren wir uns aber lieber auf die 21,6-prozentige Chance, dass alles gut ausgeht. Es wäre doch zu schade, wenn der Erwerb eines Klettergeschirrs nebst Seil, um Sophia im Falle eines Sturzes von der Felskante noch halten zu können, letztlich umsonst gewesen wäre...

Tag 3 - Glück gehabt

Die erste Nacht in unserem Wohnanhänger haben wir dank abends noch intensiv genutzter Klimaanlage und nächtlichem Durchzug gut gemeistert. Freilich erwachen wir aufgrund des Jetlags bereits gegen 5 Uhr und werden dafür mit einem schönen Sonnenaufgang belohnt, den wir von unserem Bett aus bestaunen. Während Sophia noch schläft und ich ein paar Kapitel lese, genießt Christoph draußen die Ruhe bei noch angenehmen Temperaturen. Gefrühstückt wird später natürlich ebenfalls draußen und anschließend koppeln wir unser Gespann erstmals eigenhändig wieder zusammen. Noch mehrmals gecheckt, dass wir wirklich nichts vergessen haben, und auf geht es in Richtung Nordosten.

Uns steht eine etwas längere Fahrstrecke bevor, die aber recht entspannt verläuft. Christoph fragt mich in regelmäßigen Abständen, ob unser Anhänger noch dran ist, während wir über kleinere, hitzebedingte Anpassungen des Reiseplans diskutieren. Sophia lauscht indessen mit Kopfhörern einem Hörspiel, das sie gelegentlich mit Lachern oder kurzen Bemerkungen kommentiert. Diese Einschübe von der ansonsten stillen Rückbank kommen immer wieder überraschend und erheitern unser Gespräch sehr. 

In St. George angekommen, machen wir erneut einen Zwischenstopp bei Walmart, um noch einige fehlende Utensilien wie einen Schlafsack für Sophia - natürlich stilecht mit Leopardenmuster - zu erwerben. Anschließend geht es weiter zu unserem Campingplatz für die kommende Nacht, wo wir trotz Eintreffens vor der offiziellen Check-In-Zeit schon zu unserem Platz vorfahren dürfen. Im künstlich angelegten Quail Creek kühlen wir uns ein wenig die Füße ab, bevor wir unseren Trailer abkoppeln, um den Campingplatz in Richtung einer Nachmittagswanderung in höher gelegenen und damit hoffentlich kühleren Gebieten zu verlassen.


Die Fahrt in Richtung des im Dixie National Forest gelegenen Pine Park zieht sich ewig hin. Zuerst verfahren wir uns aufgrund Christophs mangelnder Aufsicht. Um sich auf dem Rücksitz mit Sophia ungestört mit unterhaltsamen Serien die Zeit vertreiben zu können, speist er mich nämlich wiederholt mit einem schnöden "Immer geradeaus weiter dieser Straße folgen" ab, an das ich mich selbstredend sklavisch halte. Nichtsdestotrotz stellt er einige Zeit später fest, dass wir gerade irgendwo sind, wo wir gar nicht hinwollten... Im Übrigen war ich mir sicher, dass er für das Ende des Weges eine Dirtroad von 2 Meilen angekündigt hatte, die sich jedoch aus ungeklärten Gründen im Laufe der Fahrt mindestens verzehnfachen. Der Zustand der Straße ist für hiesige Verhältnisse mittelmäßig, allerdings macht mir der Blick auf die rapide gen unteres Ende der Skala wandernde Tanknadel zunehmend Sorgen. Als wir dann während der Besichtigung der ersten Formation der weißen Lehmkegel auch noch feststellen, dass es vielleicht doch schon eine Stunde später ist als gedacht, ist die Verunsicherung perfekt. Vor unserem Campground befindet sich nämlich eine Baustelle, die ausgerechnet heute für eine Sperrung der Straße ab 21 Uhr sorgt. So ließ es zumindest die digitale Anzeige am Beginn der Straße verlauten. Die nette Dame bei der Anmeldung auf dem Campingplatz empfahl uns allerdings, bis spätestens 19 Uhr da zu sein, da die Straße bereits 19:30 Uhr geschlossen werde. Hielten wir diese Information beim Checkin noch für überflüssig, wüssten wir nun doch gerne, was Phase ist. Und wie spät ist es eigentlich? Laut meiner Uhr ist es eine Stunde später als Christoph und das Auto es sagen. Aber Utah hat ja im Sommer eine Stunde Zeitverschiebung gegenüber den Nachbarstaaten. Oder war es Arizona? Wie spät ist es denn nun, wie lange brauchen wir für den Rückweg und reicht unser Benzin überhaupt noch für den Weg bis zur nächsten Tankstelle? Wir einigen uns darauf, dass wir am Füllstand des Tanks ohnehin gerade nichts ändern können und - sollten meine Uhrzeit und die Deadline 19 Uhr maßgebend sein - dass wir es so oder so nicht pünktlich zurück schaffen. Also schauen wir uns zumindest den Pine Park noch genauer an und vertreten uns ein wenig die Beine. Ein bisschen Kletterei ist auch dabei, was Sophia sehr freut. Hübsch anzusehen sind die weißen Kegel, die hier so unverhofft mitten im Pinienwald stehen, allemal. Ob sie nun die lange Anfahrt (und in unserem Fall die ganze Aufregung) wert sind, ist schwer zu sagen. 

Kurze Zeit später machen wir uns angespannt auf den Rückweg. Wobei, der Tankfüllstand gibt nun wieder etwas mehr Grund zur Hoffnung - die Anzeige scheint doch sehr von den steilen Auf- und Abfahrten beeinflusst zu werden. Eine bange Stunde später rollen wir auf das Gelände einer Tankstelle, wo sogar direkt an der Zapfsäule unsere Kreditkarte akzeptiert wird, sodass wir ganz unbehelligt tanken können. Auch eine grobe Reinigung der Heckscheibe ist noch drin, weshalb ich nach der Fahrt auf der Dirtroad auch erstmals wieder mehr als Staub und Dreck im Rückspiegel sehe. Ganz ursprünglich war ja mal angedacht, nach diesem "kurzen" Ausflug noch für ein Abendessen ins Restaurant einzukehren, was angesichts der Ereignisse der letzten Stunden nun natürlich gestrichen ist. Wir klären auch Sophia auf, dass wir nicht wissen, ob die Straße zum Campingplatz für uns noch befahrbar ist. Bei der Erörterung der möglichen Alternativen für den Fall einer Sperrung (eine eventuelle Straßenblockade zur Seite räumen und trotzdem durchfahren oder das Auto an der Sperrung stehen lassen und 2 Kilometer laufen) macht sich auf dem Rücksitz Verzweiflung breit. Welche der beiden Alternativen Sophia als schlimmer empfindet, lässt sich kaum ausmachen. Letzten Endes ist die ganze Aufregung aber völlig umsonst, denn die Anzeige an der Einfahrt in die besagte Straße kündigt immer noch eine Sperrung ab 21 Uhr an und wir können problemlos passieren. Da hat die nette Dame am Empfang echt Glück, dass sie schon im Feierabend ist...

Viel später als gedacht sind wir zurück und kochen noch schnell ein paar Nudeln, damit wir nicht schon wieder nur Bagel und Brot essen. Der Herr des Hauses versucht sich im Feuermachen, was ihm zwar zunächst scheinbar gelingt. Am Ende des Abends haben wir aber dank blaugrüner Flammen ungeklärter Herkunft keine gebratenen Marshmallows, sondern nur nach Rauch stinkende Klamotten. Wenigstens der romantische Aufgang des Vollmonds über dem See versöhnt uns etwas mit diesem verqueren Tag, denn immerhin ist am Ende doch alles irgendwie gut gegangen.

Mittwoch, 24. April 2024

Tag 2 - Von Schlafen und Schlüpfern

Nach dem Aufwachen verrät mein Blick auf den Hotel-Wecker, dass es 12:30 Uhr sein soll, was mich einigermaßen verstört. Warum nur sollte ich über 15 Stunden durchgeschlafen haben, wenn wir doch extra unsere Wecker auf 6:00 Uhr gestellt haben, um das auf 7:00 Uhr avisierte Zusammentreffen mit unserem Wohnmobil-Vermieter Jessica nicht zu verpassen? Kurz bevor ich lautstark Alarm schlage, fällt dann aber noch der Groschen. Tatsächlich ist es 12:30 am, nicht 12:30 pm, sprich mitten in der Nacht, und ich habe erst drei Stunden Schlaf hinter mir. Also haue ich mich wieder hin, um eine knappe Stunde später erneut zu erwachen. Den Rest der Nacht verbringe ich mit weiteren erfolglosen Einschlafversuchen und ein paar gepflegten Runden Minesweeper, bis ich mich auf Platz 3002 der ewigen Bestenliste verewigen darf. Gegen 5:00 Uhr schließlich werden glücklicherweise auch meine Reisebegleiter wach und es kann endlich losgehen.

Zusammen mit Lisa stopfe ich rasch die gestern herausgewühlten Sachen zurück in die Koffer, während Sophia wenig begeistert einen der gestern frisch erworbenen Erdbeerriegel vertilgt, der wenig überraschend keinerlei Erdbeeren, dafür aber Unmengen an Zucker und künstlichen Aromen enthält. Nach dem Verzehr teilt sie ernüchtert mit, dass er ihr viel zu süß sei, womit wohl alles zu diesen Riegeln gesagt ist. Den Rest der Zeit wird unter Aufsicht von Sophia gemalt und mit Tonie-Figuren gespielt.

Kurz vor 7:00 Uhr stehen wir vor unserem Hotel und stellen fest, dass wir gar keinen Abholort vereinbart haben. Zur gleichen Erkenntnis gelangt kurz nach 7:00 Uhr Jessica, wie sie uns telefonisch mitteilt, nachdem sie sich vergeblich an dem von ihr angedachten Treffpunkt umgeschaut hat. Irgendwann kommen wir dann aber doch noch zusammen und fahren zur Vermietstation, wo wir ausführlich in die Funktionen der aus "Tina" und "Sabrina" bestehenden Fahrzeugkombination eingewiesen werden. Den darauf folgenden Praxistest bestehen wir mit Bravour und dürfen daher schon nach kurzer Zeit den Hof wieder verlassen. Der vorher bei Walmart bestellte Schlafsack für Sophia ist im Übrigen nicht mehr angekommen, weil die gewählte Lieferadresse der Vermietstation vermeintlich nicht auffindbar gewesen sei. Vier Stunden nach unserer Abfahrt teilt uns Walmart aber per E-Mail euphorisch mit, dass die Zustellung jetzt endlich geklappt habe, weswegen nunmehr um eine positive Bewertung gebeten werde, wovon ich indes dankend absehe.

Mit dem Fahrverhalten des Gespanns kommt Lisa sofort gut zurecht. Am besten aber gefällt ihr, dass man durch den Anhänger hinter sich nichts mehr sieht, da sie die Wahrnehmung anderer Verkehrsteilnehmer im Rückspiegel immer so sehr in Stress versetze. Beim nächsten Mal sollten wir also ein Fahrzeug ganz ohne Fenster wählen oder mit Schlafmaske fahren.

Während des obligaten Großeinkaufs sind kurzzeitig meine Vermittlungsfähigkeiten gefragt, da Lisa ihre Reputation bedroht sieht, als Sophia in einer Welle langeweilebedingter Übersprungshandlungen immer wieder ihr Kleid hochreißt, um den prüden Amerikanern ihren schicken Schlüpfer zu präsentieren. Nach kurzer gesamtgesellschaftlicher Einordnung meinerseits als begrüßenswerte Form feministischen Aktivismus' zwischen "Free the Nipple" und "My Body, my Choice" gelingt aber ein Kompromiss und beide vertragen sich wieder. 

Dann endlich geht es zu unserem ersten Etappenziel: dem Valley of Fire State Park, den wir zuletzt 2013 aufgesucht hatten. Dort stellen wir unser Gespann auf die zuvor gebuchte Campsite 23, koppeln den Anhänger ab und machen uns bei 35 Grad Celsius zunächst daran, den Kofferinhalt auszupacken, was bemerkenswert gut funktioniert.


Gegen 16:00 Uhr brechen wir dann zu unserer ersten Wanderung auf, dem 7-Wonders-Loop, der wesentlich stärker an mir zehrt als er sollte. Zum einen bin ich todmüde, zum anderen habe ich Rückenschmerzen, sodass ich mich nur unter großen Anstrengungen durch Hitze und Sand schleppe und während einer Rast sogar kurz einnicke. Die Gegend sieht aber unverändert traumhaft aus und so gelingen auch in meinem bemitleidenswerten Zustand noch ein paar schöne Aufnahmen.


Trotzdem bin ich froh, als wir den Jeep wieder erreichen und ich während der Rückfahrt ein Schläfchen machen kann. Noch froher bin ich, dass niemand unseren Anhänger gestohlen hat, den wir dummerweise ungesichert zurückgelassen haben. Und am frohsten bin ich schließlich, als ich mich nach ein paar Schüsseln Cornflakes endlich ins Bett werfen darf.

Montag, 22. April 2024

Tag 1 - Laut, lauter, Las Vegas

Nur etwa 18 Monate nach unserer letzten USA-Reise zieht es uns schon wieder zurück in unser liebstes Reiseland. Dieses Mal haben wir uns besonders viel vorgenommen: 8 Wochen in 3 Etappen, 8 Flüge, 5 Mietwagen. Das war jede Menge Planungsaufwand, der uns nun aber hoffentlich einen unvergesslichen Urlaub bescheren wird.

Los geht es nach turbulenten letzten Wochen und einem dafür aber recht entspannten Packtag am Sonntagmorgen um 7 zu Hause. Ein letzter Kontrollgang durchs Haus, noch eine letzte Schmuseeinheit für die Katzen und dann lassen wir uns zum Leipziger Flughafen bringen, wo wir pünktlich um 8 ankommen. Die Wartezeit und der anschließende Flug nach Frankfurt verlaufen - bis auf eine recht unsanfte Landung - unspektakulär. Unser Flug nach Las Vegas hat eine reichliche Stunde Verspätung, sodass wir in Frankfurt mehr Zeit haben als geplant (und gewollt) - so dachten wir zumindest. Allerdings dauert es an der Sicherheitskontrolle so lange, dass wir am Ende froh sind über die spätere Abflugzeit. Da helfen auch die tollen neuen Scanner nicht, bei denen man nicht mehr alle elektronischen Geräte aus dem Handgepäck holen und separat in die Kisten packen muss. Immerhin kommen wir aber pünktlich am Gate an und haben sogar noch ein paar Minuten Puffer für den üblichen Toilettengang und den Erwerb zweier Wasserflaschen. Da haben wir es eindeutig besser getroffen als andere Reisende, die erst bei der Ticketkontrolle zum Einstieg merken, dass sie am Gate für den Flug nach Las Vegas stehen und ihr gebuchter Flug nach Orlando vor wenigen Minuten vom Nachbargate gestartet ist... 

Unsere Plätze sind super, da wir zu dritt in einer Vierreihe mit mehr Beinfreiheit sitzen. Da hat sich das frühe Aufstehen am Samstag um 4:25 Uhr doch gelohnt - so waren wir die ersten beim Online-Check-in und mussten für die XL-Sitze nicht mal mehr bezahlen. 

Die knapp 11 Stunden vergehen ganz gut. Sophia ist mit Filmgucken, Rätseln und Kartenspielen recht gut zu beschäftigen und schläft sogar kurz vor Ankunft noch für 2 Stunden. 

Nach der Landung in Las Vegas bei kuscheligen 34 Grad erstmal zur Immigration, wobei wir zum ersten Mal keine Fingerabdrücke abgeben müssen, Koffer schnappen und mit dem Taxi zum Hotel - alles fix und problemlos. Läuft heute! Das Zimmer ist ganz nett und zur Ankunft geht gerade langsam die Sonne über Las Vegas unter, was wir von unserem Zimmer aus wunderbar beobachten können.

Fürs Feeling und für den leeren Magen entscheiden wir uns, nochmal zum Strip zu gehen. Was soll ich sagen - ich hatte echt verdrängt, wie LAUT es hier ist. Mal abgesehen von der ohrenbetäubenden Dauerbeschallung in den Casinos und Restaurants gibt's am Strip alle paar Meter eine andere Straßenmusik, die dank modernster Technik die gesamte Umgebung in einem Umkreis von 500 Metern beschallt und dabei Lautstärken erreicht, die in Deutschland selbst bei Konzerten wohl an der Grenze des Zulässigen liegen würden. Wir schieben uns durch Lärm und Menschenmassen zu einem klassischen Burgerrestaurant, in dem Christoph sich über seinen ersten Urlaubsburger freut, während Sophia viel mehr Spaß an der ausmalbaren Kinderkarte hat als an ihren Pommes. Auf dem Rückweg hüpfen wir noch schnell in einen Laden für zwei Wasserflaschen und ein provisorisches Frühstück für morgen, dann bestaunen wir von Weitem noch die beleuchteten Wasserfontänen vor dem Bellagio, während Sophia zur Musik tanzt, und verkriechen uns dann in unser Hotelzimmer. Die Erwachsenen nutzen noch schnell die Dusche im Hotelzimmer, während das Kind lieber noch 5 Minuten seinem Hörspiel lauscht, bevor es zufrieden einschläft. Gemessen an der Länge der Anreise hätte diese insgesamt  kaum entspannter ablaufen können. Nun sind wir bereit für jede Menge toller Erlebnisse. All das denke ich mir, während ich hier am Fenster des Hotelzimmers mit Blick auf die glänzenden und blinkenden Lichter der Stadt sitze und im Hintergrund meine beiden Liebsten selig schnarchen... Was will man mehr?