Sonntag, 2. Juni 2024

Tag 39 - Ein ganz normaler Tag in L.A.

Nachdem Sophia mich ab 5 Uhr morgens als Kratzstelle genutzt hat, indem sie alle möglichen mückenstichgeplagten Körperteile an mir gerieben hat, um den Juckreiz zu lindern, bin ich fast schon froh, endlich aufstehen zu können. Christoph und ich gehen noch duschen, während Sophia nun natürlich seelenruhig schläft - keine Spur mehr von Juckreiz. An die Geräusche des nahezu pausenlos direkt neben unserem Zimmer auf- und abfahrenden Fahrstuhls haben wir uns fast schon gewöhnt. Als wir auf der Suche nach dem Frühstück aus der 10. Etage nach unten fahren wollen, ist allerdings keiner der drei Fahrstühle gewillt, uns ins Erdgeschoss zu befördern. Letzten Endes fahren wir mit den Bauarbeitern mit, die in einem der Fahrstühle vielleicht irgendetwas reparieren. So genau lässt sich das nicht sagen, denn die Fahrstuhltür öffnet sich mehrmals auf unserer Etage mit den gleichen Personen und Gegenständen darin, aber weder wird dort gearbeitet, noch steigen sie auf irgendeiner Etage aus. Na wer weiß, vielleicht gehört es zu den hiesigen Renovierungsarbeiten, den Fahrstuhl 24 Stunden am Tag in Betrieb zu halten, zum Stresstest oder so. Unten angekommen dann die nächste Enttäuschung: Aufgrund der Bauarbeiten beschränkt sich das Frühstück auf eine braune Papiertüte, die man mit aufs Zimmer nehmen darf. Hat natürlich gestern beim Check-In niemand für nötig befunden, darauf hinzuweisen. Nach weiteren 10 Minuten warten, bis ein Fahrstuhl nach oben fährt, der enttäuschende Blick in die Frühstückstüte: pro Person ein Muffin, eine Miniflasche Wasser sowie ein kleiner Plastikbecher voll Apfelsaft. Wir sind ja nun nicht unbedingt reichliche Esser, aber ernsthaft: EIN Muffin? Und kein besonders großer geschweige denn nahrhafter... So fällt das Frühstück kurz aus und wir beeilen uns, das Hotel endlich zu verlassen, was natürlich auch noch mit weiteren Hindernissen verbunden ist, aber irgendwann befinden wir uns endlich auf dem Weg zum ausgewählten Walmart Supercenter.

Gründe für unsere Auswahl: Der Walmart hat als einer der wenigen den benötigten Kindersitz fürs Wohnmobil vorrätig und liegt so halbwegs auf dem Weg zu RoadBear. Der Verkehr durch Los Angeles ist die Hölle und ich bin sehr froh, dass ich nur mit dem Auto und noch nicht mit dem Wohnwagen unterwegs bin. Wir schaffen es aber durch viele Staus trotzdem irgendwann zum Walmart. Also schnell rein und den Sitz abholen, bevor wir schon einen Teil des Einkaufs erledigen wollen. Ach nein, doch nicht rein, die Abholstation ist draußen einmal um das Gebäude herum. Unsere Bestellung ist nicht auffindbar und es dauert ewig, bis ein Mitarbeiter mit dem gewünschten Sitz um die Ecke kommt. Irgendwie läuft heute nichts so richtig rund. Inzwischen ist es so spät, dass wir uns entschließen, direkt zu RoadBear zu fahren und den Großeinkauf auf später zu verschieben.

Nun kommt es zu einer absoluten Neuheit auf unseren bisherigen USA-Reisen: Christoph setzt sich ans Steuer eines Fahrzeuges! Da wir mit dem Mietwagen den Wohnwagen abholen, müssen wir danach mit beiden Fahrzeugen zu Budget düsen, um den Mietwagen abzugeben. Zwei Fahrzeuge bedeuten zwangsläufig zwei Fahrer, sodass Christoph lieber jetzt schon mal übt, während ich als "alter Hase" noch daneben sitze und schlaue Tipps geben kann. Das Problem dabei: Christoph ist ein mittelmäßiger Fahrer und ich ein ganz schlechter Beifahrer. Heute klappt das aber zur Abwechslung mal ganz gut. Seine Beteuerungen, er würde das alles viel besser machen als ich, in die Sophia unverschämterweise auch noch einstimmt, ignoriere ich gekonnt und lotse ihn souverän zur Tankstelle kurz vorm Wohnmobilvermieter. Aber auch das klappt natürlich nicht ohne Probleme: Zum ersten Mal in diesem Urlaub erwischen wir eine Tankstelle, die unsere Kreditkarten draußen an der Zapfsäule nicht akzeptiert, sodass wir mit Bargeld an der Kasse vorbezahlen müssen. In dem Bestreben, bloß nicht zu viel auszugeben, reicht der Betrag beim ersten Versuch natürlich nicht und Christoph muss nochmal rein und nochmal bezahlen. Jetzt ist der Tank aber voll.

Zwei Minuten später stehen wir kurz nach 12 bei RoadBear, wo wir erstmal Papierkram erledigen und dann die netteste und ausführlichste Einweisung in das Wohnmobil bekommen, die wir je hatten. Der Angestellte macht das richtig gut und die heiße Schokolade, die wir nebenbei trinken, ist auch echt lecker. Es kann also doch mal was funktionieren heute. Naja, zumindest fast: Christoph kippt sich natürlich noch einen Teil des leckeren Getränks über seine Hose, wobei ich mit diesem Fauxpas entgegen anders lautender Behauptungen rein gar nichts zu tun habe. Nachdem wir schließlich mit etwas Fummelei den Kindersitz auf der Sitzbank befestigt haben, geht es in Kolonne zu Budget, um den Mietwagen abzugeben. Die Station ist dann mal wieder so schlecht ausgeschildert, dass Christoph in der entsprechenden Straße allein nach der richtigen Einfahrt sucht, während ich versuche, in der Nebenstraße eine Abstellmöglichkeit für das Wohnmobil zu finden. Nachdem ich geparkt habe und wir einen dieser "Wo bist du denn? Siehst du mich winken?"-Anrufe geführt und uns gefunden haben, geben wir bei Budget das Auto ab. Wir sind ja inzwischen daran gewöhnt, dass das hier recht schnell vonstatten geht, aber dieses Mal wird nicht mal ein Blick auf das Auto geworfen. Der Kerl an der Rezeption, dem wir den Schlüssel geben, will nur wissen, ob wir das Auto hinter dem Büro abgestellt haben. Das wars. Keine Kontrolle, kein Name, keine Unterschrift, nix. Na gut, es soll uns recht sein. Wir schnappen uns das Wohnmobil und fahren dieses Mal zum Großeinkauf zu einem anderen Walmart, wo wir unsere Essensvorräte für die kommenden zwei Wochen erstehen. Nun wollen wir dringend weiter raus aus Los Angeles und den angrenzenden Vororten, wobei unser Weg gleichermaßen über stauende Freeways und Schleichwege durch Wohngebiete führt.

Inzwischen sind wir schon einige Stunden auf den Beinen, ohne Pause oder Essen und nach einem anstrengenden und langen Tag gestern. Das bekomme ich noch mehr zu spüren als meine beiden Mitreisenden: Zu meinem bereits seit gestern kratzenden Hals und den nicht zu verachtenden Kopfschmerzen gesellen sich nun auch noch Gliederschmerzen. Das kann ich gerade nicht gebrauchen! Was ich ebenso wenig gebrauchen kann: Die aufleuchtende Meldung im Camper, die mir mitteilt, dass der Reifenluftdruck vorn links zu niedrig ist. Na super, was sollen wir denn damit jetzt anfangen? Ein Anruf beim Service ergibt, dass man hier ebenfalls an vielen Tankstellen Luft aufpumpen kann. Das sollen wir erstmal machen und dann weiter sehen. Wir wollten doch einfach nur endlich raus hier und auf einem Campingplatz im Nirgendwo unsere Ruhe haben...

Aber es nützt ja nichts, spontan die Essenspläne über den Haufen geworfen und am nächsten Fastfoodladen angehalten, weil gegenüber dann eine Tankstelle ist. Sophia und Christoph stärken sich erstmal, aber ich bekomme außer ein paar Pommes nichts runter. So habe ich mehr Zeit, den Verkehr zu beobachten und festzustellen, dass es für uns mit dem Wohnmobil schwierig bis unmöglich ist, durch den dichten Verkehr auf die andere Seite des Highways zur Tankstelle zu gelangen. Also suchen wir eine andere große Tankstelle aus, die fast auf dem Weg liegt. Dort angekommen, versuchen wir herauszufinden, wie das mit dem Luft nachfüllen funktioniert. Was wir tun, fühlt sich irgendwie nicht ganz richtig an - wir benötigen vier Hände, jede Menge Koordinationsgeschick und viel Kraft - aber immerhin kommt Luft in den Reifen. Kostet natürlich auch wieder ein paar Dollar, ist ja klar. Die Meldung ist anschließend verschwunden und wir schaffen es endlich raus aus dem Einzugsgebiet von L. A. und kommen nach 19 Uhr am Campingplatz im Red Rock Canyon State Park an, wo glücklicherweise noch genügend Plätze frei sind.

Leider steht uns noch die Mammutaufgabe des Kofferauspackens bevor. Nach dem langen Tag hat eigentlich keiner mehr Lust darauf, aber im Wohnmobil ist auch nicht genug Platz, um drei Koffer rumstehen zu haben. Also machen wir uns ans Werk. Immerhin sind wir das perfekte Trio für diese Arbeit: eine krank, einer mit Rückenschmerzen und eine, die nach dem langen Tag und der vielen Fahrerei überhaupt keine Lust hat. Nach einigem Hin und Her ist aber auch diese Aufgabe bewältigt und ich kann mich endlich ein bisschen hinlegen. Die zwei Tage in Los Angeles haben uns völlig geschafft. Zwar sind wir froh, endlich den Großstadtmief hinter uns gelassen zu haben, aber die Sache mit dem Reifenluftdruck macht Christoph noch zu schaffen. Ich versuche, ihn zu beruhigen und meine, dass er das mal wieder viel zu pessimistisch sieht, aber er weist mich richtigerweise daraufhin, dass eigentlich ich die Pessimistin in unserer Runde bin. Da hat er wohl recht, trotzdem will ich nichts davon hören, dass mit dem Reifen irgend etwas sein könnte - klassische Verdrängungstaktik. Ob das mal gut geht? 

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