Mysteriöse Dinge geschehen am heutigen Morgen in unserem Wohnmobil: Die Sonne geht auf, aber alles bleibt still. Weder ein schrillender Wecker noch ein vor Tatendrang ganz ungeduldiger Christoph versuchen, hier irgendjemanden aus seinen Träumen zu reißen und aus den kuscheligen Betten zu zerren. Nein, wir haben uns heute Ausschlafen verordnet, was Sophia und mir bestens gelingt. Aber selbst Christoph bleibt artig bis halb 9 im Bett und ruht sich aus. Danach wird noch ausgiebig gekuschelt und in Ruhe gefrühstückt, bevor sich uns schließlich die Frage aller Fragen stellt: Und jetzt? Eigentlich hatten wir ja Pläne, aber diese beinhalten erneut eine anstrengende Wanderung in großer Höhe, was nach dem gestrigen Erlebnis nicht unbedingt verlockend klingt. Allzu viele Alternativen gibt es aber nicht, denn unten im Tal bei über 30 Grad wollen wir uns erst recht nicht aufhalten. Daher Christophs Vorschlag: Wir fahren trotzdem noch ein Stück bergauf zum Trailhead, aber ohne zu wandern. Soll auch so ganz schön sein und irgendwie müssen wir den Tag ja rumkriegen.
Gesagt, getan. Nur etwa 20 Minuten später finden wir uns auf dem Parkplatz zum Little Lakes Valley Trail wieder und befinden einstimmig: Ist das toll hier! So zumindest mal meine Übersetzung von Christophs "Fast schon zu kitschig!" und Sophias "Toll. Können wir Eis essen?".
Christoph erbittet sich ein wenig "Anpassungszeit" an die Höhe, wobei ich zu bedenken gebe, dass er die gestern auch zur Genüge hatte. Aber schaden wird es schon auch nicht, also verbringen wir noch etwas Zeit im Camper, bevor wir uns nach draußen wagen. Wir spazieren ein paar Meter am Fluss entlang und landen schließlich an einem Picknicktisch unweit vom Startpunkt des Wanderwegs, wo Sophia bestimmt eine Stunde im Schnee die Eiskönigin spielt. Christoph und ich versuchen derweil, unsere heutige gesundheitliche Verfassung einzuschätzen und kommen schließlich zu dem Ergebnis, dass wir doch zumindest den einen Kilometer bis zum ersten See versuchen können. Also schnell nochmal in den Wohnwagen gehüpft, aber lieber nicht zu viel mitgenommen. Erstens wollen wir keine schweren Rucksäcke schleppen, um jegliche unnötige Anstrengung zu vermeiden, und zweitens soll uns fehlender Proviant davon abhalten, doch zu weit zu gehen.
So stehen wir wenige Minuten später wieder am Trailhead und starten mit nichts weiter als drei kleinen Wasserflaschen in den Händen. Wobei "starten" hier so energisch klingt, vielmehr schleichen wir langsam den Weg entlang. Eher so Slow motion. Das macht aber nichts, denn der Weg ist wunderschön, wenn auch aufgrund der Schneeschmelze an einigen Stellen noch etwas nass. Zum Glück sind auch nur am Anfang ein paar Höhenmeter zu überwinden, bevor sich der Weg mehr oder weniger geradeaus durch die tolle Berglandschaft zieht. Regelmäßige Nachfragen zum Gesundheitszustand des jeweils anderen stehen heute fest auf der Tagesordnung, werden aber ausnahmslos jedes Mal positiv beantwortet. Schon bald finden wir einen schönen Aussichtspunkt auf den Mack Lake, wo wir gleich erstmal eine längere Pause einlegen.
Sophia ist inzwischen auch wieder bester Laune, denn Christoph hat sich breitschlagen lassen, mit ihr die Brieffreunde Giraffe und Pinguin zu spielen, die sich wechselseitig besuchen. In einer kurzen Spielpause deutet die Giraffe alias Christoph an, dass es bis zum nächsten See nur 500 Meter sind, es ja noch relativ früh ist und wir heute nichts weiter vorhaben... Ehe wir uns versehen, sind wir schon beim Marsh Lake und tauschen uns wiederholt darüber aus, dass wir uns Kanada genau so vorgestellt haben. Es ist aber auch wirklich herrlich: Die klaren Bergseen vor den schneebedeckten Gipfeln, perfekte Temperaturen irgendwo zwischen T-Shirt und dünner Jacke, Sonnenschein und Vogelgezwitscher, relativ wenige andere Hiker unterwegs - diese Wanderung ist ein echter Volltreffer!
Nach kurzer Diskussion begeben wir uns sogar noch zum dritten See, denn es sind nur 400 Meter und der Heart Lake soll der schönste von allen sein. Ich könnte mich nicht entscheiden; ich fand sie alle schön!
Nach weiteren ausgedehnten Pausen schleichen wir dann langsam zum Parkplatz zurück, wo wir nach insgesamt fast drei Stunden wohlbehalten und glücklich ankommen. Wir sind echt froh, dass wir uns doch getraut haben und vor allem, dass es geklappt hat. Kurze Essenspause im Camper, dann geht es den Berg wieder ein Stück nach unten, wo wir gleich noch dumpen, weil es am Wegesrand liegt. Heute ganz ohne Probleme wie plötzlich einsetzender Regen oder steckengebliebene Teile; das ist ja fast schon langweilig. Auch zum reservierten Campingplatz ist es nicht weit und der namensgebende Convict Lake sieht im Vorbeifahren klasse aus. Den schauen wir uns morgen in Ruhe an, ebenso wie die Duschen im benachbarten Ressort, für die wir aber immerhin schon die entsprechenden Token erstehen. Noch ein paar Runden Rummikub und ein bisschen lesen, dann reicht es für heute und wir gehen nochmal früh ins Bett - irgendwann wollen wir ja auch endlich wieder ganz fit sein.
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