Ein Tag auf Big Island und ich kann immerhin schon eines sagen: An einem so seltsamen Ort war ich bisher noch nie. Das Eigentümlichste an der Insel ist für mich die ausnehmend scharfe Begrenzung der unterschiedlichen Landschaftsformen. In etwa so als hätte sie jemand aus einer Jubiläumsedition der "Siedler von Catan" mit den Feldern Lavagestein, begrünte Steilküste, Sandstrand und Tropenwald zusammengebaut. Ein Meeting aus Lanzarote, Irland und den Seychellen.
Aber eins nach dem andern. Am Morgen stehe ich kurz vor fünf Uhr auf und habe endlich mal Zeit, mich anständig zu duschen und zu rasieren. Wie mir dabei allmählich bewusst wird, sollte man das doch ab und zu mal tun. Dann gehe ich auf unsere Terrasse und genieße den Blick aufs Meer.
Auf dem Foto gut zu erkennen: Die klare Trennlinie zwischen den Arealen mit tropentypisch dichtem Bewuchs und der Todeszone, in der es nur abgekühlte Lavaklumpen und ausgedörrte Grasbüschel gibt. Auf der heute besuchten Nordwestseite der Insel finden sich die grünen Bereiche nur vereinzelt an der Küste, vor allem aber an Hängen im steil ansteigenden Hinterland. Auch unser erstes Domizil ist an eben einem solchen Hang gelegen. Ursache für die unterschiedlichen Bereiche ist ganz offenbar die Niederschlagsmenge, die aus den an den Hügeln förmlich klebenden Wolken resultiert. So kann man etwa sein bewölktes Häuschen verlassen, den ganzen Tag an der Küste in der Sonne verbringen und dann am Abend zurück in die standorttreuen Wolken zurückkehren.
Nachdem auch Sophia und Lisa aufgestanden sind, tut sich jedenfalls das erste Problem auf: Wir wollen frühstücken, haben aber nix da. Also werde ich beauftragt, ein geeignetes Frühstückslokal zu finden, was ich auch umgehend via Google erledige. Dann machen wir uns nebst Badeausrüstung, Rucksäcken und 2-3 Paar Schuhen je Person auf den Weg.
Zuerst müssen wir aus unserer Wohnsiedlung namens Kalaoa raus, was für sich genommen bereits ein Abenteuer ist. Sie besteht nämlich ausschließlich aus engen, kurvigen sowie sich fortwährend kreuzenden Straßen mit 14 bis 19 Prozent Steigung und so eingängigen Namen wie "Hamanamana Street" oder "Ka'Iminani Drive". Auf diesen wiederum befinden sich nicht nur unzählige Varianten aller möglichen Speed Humps und Bumbs in Kombination, sondern auch allerlei orientierungsloses sowie übermütiges Geflügel, dem es auszuweichen gilt.
Im Übrigen lässt sich Kalaoa treffend mit "Spießertropen" betiteln. Eine für tropische Inseln typische Begrünung trifft hier auf ausnehmend gepflegte Gärten und ansehnliche Häuser statt die in diesen Arealen abseits von Ressorts eigentlich typischen Bruchbuden. So wie wir über die "Gärten" im Südwesten der USA nur den Kopf schütten können, so würden es die hiesigen Einwohner beim Anblick unserer Grundstücke zu Hause sicherlich tun. Wer hier mit Rollrasen, Olivenbaum und Pampasgras ankäme, müsste wohl nicht ganz zu Unrecht um sein Leben bangen.
Nach dem Frühstück, bei dem Sophia überraschend offenbart, Toast mit Nutella, Macadamianüssen und Banane nicht zu mögen, und in der Folge trockenes Weißbrot verzehrt, soll es zuerst zum Hapuna Beach gehen. Immerhin musste ich jemandem gestern versprechen, direkt am nächsten Morgen wieder zum Meer zu fahren. So wird der Vormittag mit Wellenhüpfen und Sandburgenbauen verbracht. Besonders schlau von uns: Der Verzicht auf Sonnencreme, die wir sogar extra noch mitgenommen haben - im Meer ist man ja unter Wasser und am Strand kann man das UV-Shirt tragen. Freilich ist man indes im Meer nicht wirklich unter Wasser, wenn eine sicher in UV-Badebekleidung verpackte 6-Jährige permanent am rechten Arm hängt, sodass auch das UV-Shirt am Strand einen vollflächigen Sonnenbrand an Vorder- und Rückseite des Oberkörpers bei mir und Lisa nicht mehr verhindern kann. Mittlerweile weiß ich, wie sich der Feuerwehrmann in der HBO-Serie "Chernobyl" gefühlt haben muss...
Aber Schlappmachen ist nicht - wir wollen noch zum Polulu Valley. Also weiter gedüst und eine gute halbe Stunde später stehen wir bereits am entsprechenden Aussichtspunkt und müssen uns, ob unseres Vorhabens, ins Tal hinabzusteigen, einen langatmigen Vortrag zu den "besonderen" Aspekten dieser Wanderung in der Nähe sakralen Bodens anhören. Sprich: Nicht herabstürzen, nicht ertrinken, nicht über Absperrungen klettern und nicht auf die heilige Stätte fäkalieren. Manno - nichts darf man mehr! Also müssen wir uns damit begnügen, den steilen, aber kurzen Weg nach unten zu kraxeln und ein paar Fotos zu machen. Dabei lässt uns die Sonne im Verlaufe des Ausflugs leider etwas im Stich.
Anschließend geht es auf den schwitzigen Rückweg und dann fahren wir auch schon wieder zurück. Mittlerweile können wir die Vegetationszonen bereits an der Art der suizidalen Fauna unterscheiden. Ist es grün und feucht, wollen Vögel und Hähnchen sich das Leben nehmen. Ist es gelb-schwarz und trocken, suchen Ziegen und Esel den Freitod im Kühlergrill.
Im Shop der am Straßenrand gelegenen Macadamia-Fabrik kaufen wir noch Krimskrams für annähernd 100 USD (!) und dann gibt es noch ein riesiges Eis für jeden. Während ich "Bananenbrownie mit Erdbeerswirls" aussuche und Sophia Shaved Ice mit "Erbeer-Mango-Vanille"-Geschmack wählt, will sich Lisa allen Ernstes für Schokolade entscheiden, was ich mit Blick auf die riesige Auswahl empört zurückweise. Immerhin lässt sie sich daraufhin in einem Anflug unerwarteten Wagemuts noch zu der Sorte "Schokolade mit Macadamianüssen" hinreißen...
Unseren angedachten Schnorchelausflug lassen wir in der Folge witterungsbedingt ausfallen und kaufen nach dem Abendessen lieber noch etwas Aloe Vera Gel. Dann geht es zurück zu unserer Bed and Breakfast ohne Breakfast, woraufhin - wie schon gestern - starker Regen einsetzt, der unsere emsigen Bemühungen um Trocknung der Handtücher einmal mehr zunichte macht. Tja - dann halt nicht. Jetzt heißt es nur noch den Sonnenbrand eincremen und eine Liegeposition finden, die trotz rotem Oberkörper einen auch nur halbwegs erträglichen Schlaf verheißen könnte.
Spoiler: Es gibt keine.
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