Mittwoch, 29. Mai 2024

Tag 36 - Coq au Chanel

Erneut reißt uns der liebliche Schrei unseres Haus- und Hofhähnchens Napoleon II. unsanft aus unseren Träumen. Nur der Himmel weiß, warum manchen Hühnermännchen statt eines kraftvollen "Kikeriki'i" nur ein krächzendes "Krikaaarrr'k" gegeben ist.

Nachdem wir vorgestern unsere vorgesehenen Unternehmungen in den Waimea Canyon und Koke'e State Parks nicht mehr komplett geschafft haben, soll das heute nachgeholt werden. Da der Wetterbericht strahlenden Sonnenschein nach 12:00 Uhr ankündigt, wird aber erstmal etwas geshoppt. Beide Mädchen kaufen sich in irgendwelchen Ramschläden ein schickes T-Shirt; ich belasse es bei der Hähnchenmütze aus dem General Store von gestern. Dann gelingt es Sophia tatsächlich, Lisa auch noch ein weiteres Kuscheltier aus dem Kreuz zu leiern, weil die "Schildkröte doch so süß schaut", wie mir beide fortwährend immer wieder versichern. In der Folge findet der Shopping-Trip vorzeitig sein jähes Ende.

Stattdessen brausen wir ein zweites Mal zu besagten State Parks und halten erstmal an einem äußerst ansehlichen, wenn auch inoffiziellen Aussichtspunkt auf die Waipoo Falls. Der Blick ins Tal ist einfach nur klasse! Und trotz örtlich (unmittelbar an der Straße) und zeitlich (Sonntag vor Memorial Day) suboptimalen Umständen ist kein anderer hier, der uns stören könnte.

Nächster Halt: Miloli'i Ridge Road. Eigentlich eine Jägerpiste, aber nach einem Jagdschein fragt ja hier kein Schwein. Am Ende der fünf Meilen langen Dirtroad soll es aber noch einen schönen Ausblick auf die Na Pali Coast geben und zudem wird sich sonst kaum jemand außer uns hierher verirren. Nach zwei Meilen Fahrt verdunkelt sich indes der Himmel und es fängt an zu tröpfeln. Lisa wirkt etwas unglücklich mit der Situation und das Internet warnt aufgrund der steilen Lehmpiste eindringlich von Fahrten bei Regen ab. Aus Vernunftgründen entscheiden wir uns daher für die Umkehr und einen neuen Versuch am Nachmittag bei dann - wie angekündigt - strahlendem Sonnenschein.

Stattdessen geht es jetzt erstmals bis an das Ende des State Park Drives. Während der Fahrt wird der Regen immer stärker und bald schüttet es regelrecht. Aber damit nicht genug. Einen guten Kilometer vor dem Zielpunkt ist die Straße ohne Angabe von Gründen urplötzlich gesperrt und ein dichter Nebel lässt alles, was sich weiter als zwanzig Meter von uns entfernt befindet, im Nichts verschwinden. Wirklich jetzt? Dann setzen wir uns eben bockig ins Auto und warten auf den versprochenen Sonnenschein! So!

Wir sitzen. Zwei Minuten vergehen. Hmmm.. Man könnte ja mal was Süßes essen. Fünf Minuten später sind die Gummitiere alle. Hmmm... jetzt brauchen wir aber noch was Richtiges. Die Bagel vielleicht? In weiteren fünf Minuten müssen unsere eigentlich für die geplante Wanderung geschmiertem Bagel dran glauben. Hmmmm..., was denn jetzt? Vielleicht ein Spiel. Nach zehn Minuten wollen wir nicht mehr "Tiere mit ... als Anfangsbuchstaben" spielen und viel mehr fällt uns auch nicht ein, worauf wir noch Lust hätten. Dann gehen wir halt noch aufs Klo. Gesagt, getan. Nach weiteren fünf Minuten, in denen mir mein Toilettennachbar auf akustisch eindrückliche Art und Weise vermittelt, was der übermäßige Verzehr von Hula Pie auslösen kann, sitzen wir wieder gelangweilt im Auto. Warten ist echt nicht so unser Ding.

Da erbarmt sich dankenswerterweise eines der gefühlt 970.000 Hähnchen auf dieser Insel, tritt aus der Nebelbank hervor und unterhält uns mit seinen Model-Qualitäten. Auch Sophia ist begeistert, was sie Lisa höflich wissen lässt ("Nimm dein' Kopp weg; ich will das Hähnchen sehn!").

Die Attitude stimmt: Voller Confidence ist er und äußerst wandelbar. Und Personality hat der charmante Herzensbrecher natürlich auch. Eindeutig unser Kandidat für Kaua'is next Topgockel 2024. Heidi wäre begeistert.

Nur mit Kritik kann er noch nicht so gut umgehen.

Nachdem wir uns eine weitere halbe Stunde mit dem Hähnchen unterhalten haben, ist das Wetter unverändert beschissen. Also beschließen wir, wieder ein Stück die Straße runter zu fahren und später zurück zu kommen. Wie sich kurz darauf zeigt, regnet es jetzt aber einfach überall in Strömen! Notgedrungen verlassen wir daher diese State Parks wieder und steuern stattdessen den Polihale State Park an, der einen 17 Meilen langen Sandstrand beherbergt. Bald schon zeigt sich - wie fast immer an der Küste - wieder blauer Himmel und die äußerst holprige Dirtroad-Anfahrt ist auch eine willkommene Abwechslung. Der Strand selbst sieht auch top aus. Nur die asozialen Jeep-Fahrer, die beharrlich mit lauter Musik längs den Strand entlang brettern, gehen einem ziemlich auf den Sack. Solche Leute sollten nicht in der freien Natur sein. Eigentlich sollten solche Leute am besten nirgendwo sein.

Nach einer mehr als willkommenen Erfrischung im Meer geht es über die Holperpiste an einigen Hähnchenküken vorbei zurück und dann dinieren wir aus Mangel an Alternativen in einem laut Google-Rezensionen "authentischen" hawaiianischen Take-Away mit "frischen Speisen" und "gemütlicher Umgebung" mitten in Waimea. Wenn das stimmen sollte, ernähren sich Hawaiianer offenbar traditionell gern in total versifften Bruchbuden von Dingen, die man in Deutschland nicht mal seinen Haustieren anbieten würde und die streng genommen unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fallen müssten. So ein zerriges und ekliges Hähnchen haben wir jedenfalls schon lange nicht mehr zu uns genommen. In etwa so, als wäre da doch noch etwas aus einem dieser 1000-jährigen Eier geschlüpft.

Naja, genug davon. Da der Himmel etwas aufgerissen ist, beschließen wir, noch ein drittes Mal die zähe Strecke zu den Waimea Canyon und Koke'e State Parks in der Hoffnung auf bessere Aussicht auf uns zu nehmen. In den unteren, bereits gesehenen Bereichen, erfüllt sich dieser Wunsch auch. In den von oben eigentlich einsehbaren Küstentälern hängt aber weiterhin dichter Nebel, der aufschlussreiche Einblicke unmöglich macht. Obwohl wir bis zum Sonnenuntergang warten, müssen wir uns daher leider mit stimmungsvollen Nebelbildern begnügen, während am Parkplatz fröhlich die Hähnchen scharren.

Anschließend fahren wir noch in ein Restaurant mit verzehrfähigen Speisen und lassen uns nach dem Genuss eines zarten halben Hähnchens schließlich völlig übermüdet in unsere Bettchen fallen. Die Hoffnung bleibt, dass Napoleon II. uns morgen verschonen möge.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen