Sonntag, 19. Mai 2024

Tag 27 - Ein Nene namens Jaja

5:30 Uhr in Kihei. Meine Uhr weckt mich mit einem sanften Vibrationsalarm. Wir wollen heute früh los und ich könnte nun die anderen beiden ebenfalls vorsichtig wecken, wenn... Ja, wenn Christophs Wecker nicht wäre, der im selben Moment mit ohrenbetäubendem Getöse uns alle drei und wahrscheinlich auch alle anderen Lebewesen im Umkreis von 200 Metern äußerst unsanft aus dem Schlaf reißt. Während ich mir die Ohren zuhalte, springt Sophia im Halbschlaf aus ihrem Bett und sucht verzweifelt ihren Wecker. Christoph ist wie üblich derjenige, der am längsten braucht, bis er endlich wach ist - was unpraktisch ist, weil er auch derjenige ist, der am schnellsten sein Handy nehmen und ausschalten könnte. Irgendwann ist der Wecker aber aus, was zu einer noch ganz verschlafenen Sophia erst einige Zeit später durchdringt: Sie sucht immer noch den Wecker, obwohl der Lärm längst verklungen ist. Auf diesen Schreck müssen wir erstmal eine Runde im Bett kuscheln, bevor wir uns für unser heutiges Tagesziel bereit machen können.

Eine knappe Stunde später sind wir unterwegs in Richtung Haleakala National Park. Laut Wettervorhersage haben wir nur am heutigen frühen Vormittag die Chance, den riesigen Vulkankrater bei Sonnenschein zu sehen, was wir natürlich nutzen wollen. Die reine Entfernung von unserer Unterkunft aus ist eigentlich gar nicht so groß, aber aufgrund der Streckenführung und einer fast durchgängigen Geschwindigkeitsbegrenzung auf 20 bis 30 Meilen pro Stunde dauert es seine Zeit, bis wir am ersten Aussichtspunkt ankommen und einen ersten Blick in den Krater werfen können.

Das sieht doch schon mal sehr vielversprechend aus! Bevor wir zu unserer Wanderung aufbrechen, halten wir am Visitor Center, um das Aufgabenheft für den Junior Ranger abzuholen. Während Sophia und ich nochmal die Toiletten aufsuchen, trifft Christoph auf dem Parkplatz ein kleines Nene und ist ganz verliebt. Nenes sind Gänse, die es ausschließlich auf Hawaii gibt und die uns bereits seit unserer Ankunft hier begleiten - bislang allerdings fast ausschließlich in Form von Hinweisschildern am Straßenrand, wo man besonders langsam fahren soll, weil die Vögel dort unterwegs sind. Ein paar Mal haben wir auch eine aus einiger Entfernung gesichtet, aber das Exemplar im Haleakala setzt sich für Christoph wie ein Model in Pose, damit er szenische Fotos machen kann.

Christoph wird uns noch den ganzen Tag lang immer wieder von diesem einen besonderen Vogel erzählen und auch Sophia findet Gefallen an den Tierchen, die hier überall fröhlich über den Parkplatz huschen. Bereits vor Tagen hatten meine beiden Tierexperten festgestellt, dass die Gänse ihren Namen sicherlich daher haben, weil sie Fragen grundsätzlich mit "Nee, nee!" beantworten...

Nun ist es aber erstmal Zeit für unsere Wanderung. Wir wollen einen Teil des Sliding Sands Trail gehen, der (fast) vom Gipfel des Vulkans auf knapp über 3000 Metern Höhe in den Krater hineinführt. Tatsächlich verläuft der Weg dann auch zunächst über Serpentinen nach unten und Sophia stürzt direkt am Beginn des Trails erstmal ohne erkennbaren Grund mitten auf dem Weg. Die Tränen sind aber schnell getrocknet und bis auf kleine Kratzer am Knie ist nichts passiert, sodass wir den Abstieg nahezu allein und bei herrlichem Sonnenschein genießen können. Um uns herum öffnet sich der riesige Krater mit seinem grauschwarzen Lavagestein. In der Mitte erheben sich Cindercones in verschiedenen Größen, die mit ihrer teilweise braun-rot-orangenen Färbung einen schönen Kontrast zu dem ansonsten dunklen Krater mit vereinzelt grün bewachsenen Hängen bilden. Im Hintergrund sieht man, wie die Wolken unter uns an der Kante des Vulkans festhängen. 

Es ist traumhaft hier oben und wir genießen die Wanderung sehr. Zumal um diese Uhrzeit auch wirklich noch sehr wenig los ist und die Sonne unbeirrt scheint. Perfekt! Da wir nur einen Teil des Trails gehen wollen, der theoretisch einmal als Tagestour durch den gesamten Krater führt, müssen wir irgendwann umkehren. Wir machen nochmal eine längere Pause und genießen den Ausblick und die Ruhe.

Nicht nur, weil es hier so schön ist, sondern auch weil wir auf den etwa drei Kilometern bis hierher 400 Höhenmeter nach unten gestiegen sind. Das heißt natürlich, dass uns nun ein ziemlicher Aufstieg bevorsteht, den wir noch ein paar Minuten hinauszögern. Irgendwann geben wir uns aber einen Ruck und machen uns auf den Rückweg, bei dem wir durchaus auch die hier oben etwas dünnere Luft bemerken. In ruhigem Tempo und mit drei oder vier Pausen schaffen wir es wieder nach oben, wobei wir Sophia heute mal mit Babygeschichten bei Laune halten - sie will ganz genau wissen, was man als Baby alles noch nicht kann und wie und wann sie was gelernt hat. Zurück am Parkplatz gibt es erstmal was zu essen und wir füllen - mangels Sitzgelegenheit draußen - das Rangerheft im Auto aus. Noch ein paar Nenes beobachten und dann machen wir uns langsam auf die Rückfahrt mit Zwischenstopp beim weiter unten gelegenen zweiten Visitor Center. Hier wird Sophia zum Junior Ranger ernannt und bekommt ihren Anstecker. Und endlich darf sie sich auch ein Kuscheltier kaufen - unschwer zu erraten ist es ein Nene. Genauer gesagt ein kleines Neneküken, da die ausgewachsene Nenegans bei unserem knappen Platzangebot leider nicht in den Koffer gepasst hätte. Ausnahmsweise wird sogar mal mein Namensvorschlag akzeptiert: Unser hawaiianisches Gänseküken heißt Jaja, weil es nämlich nicht nur Nein sagen kann. 

Auf dem Rückweg fahren wir durch die Wolken, die hier noch immer am Hang des Haleakala festhängen, was auch ziemlich cool ist, denn bislang sind wir nur durch Wolken geflogen, aber noch nie gefahren. Sophia macht nach der Anstrengung und dem frühen Aufstehen im Auto erstmal ein Nickerchen, bis wir fürs Mittagessen anhalten. Zurück in unserer Unterkunft reden wir uns ein, dass wir ja später nochmal zum Strand fahren könnten, wenn wir uns etwas erholt haben, es ist ja immerhin erst 15 Uhr. Wie fast schon zu erwarten, bleibt es beim "könnte" - keiner hat Lust, sich nochmal auf den Weg zu machen, und so vergeht der Nachmittag mit Lesen, Spielen, Rätseln und Nichtstun. Natürlich immer mit dem Nene namens Jaja an unserer Seite.

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