Dienstag, 14. Mai 2024

Tag 22 - Das große Krabbeln

Heute verlassen wir planmäßig unsere Unterkunft in Kalaoa und machen in Volcano weiter. Damit uns auf der verhältnismäßig langen Fahrtstrecke dahin nicht allzu langweilig wird, habe ich natürlich einige Stopps eingeplant.

Station 1: Der Two Step Beach bei Honaunau - einer der besten Schnorchelspots hier. Der Name rührt vom einzigen sicheren Einstieg her, der über zwei Steinstufen erfolgt. Als wir ankommen, peitscht die Gischt bereits recht heftig gegen die Felsen, sodass Lisa Bedenken mit Blick auf die sichere Durchführbarkeit unseres Planes anmeldet. Ich will aber unbedingt hier schnorcheln und etwas weiter draußen sieht der Wellengang auch ganz gut beherrschbar aus. Also steige ich zuerst ins Wasser und lasse mir dann Sophia herüberreichen. Diese klammert sich ob der harschen Brandung natürlich sofort ganz fest an meinen Rücken, was bei Sonnenbrand nicht besonders wohltuend ist. Nach einigen Sekunden kann ich sie aber beruhigen und der Schnorchelausflug wird ein voller Erfolg. Sehr viele bunte Fische schwimmen um uns herum; die Korallen sind aber leider - wie fast überall auf der Welt - nur noch in Teilen intakt. Beim Ausstieg werden Sophia und ich nochmal von einer unglücklich großen Welle zusammen an die Felsen in der Nähe der Stufen geschleudert, tragen davon aber glücklicherweise keine relevanten Blessuren davon. Obwohl sich mein Handy in der Tasche meiner Badehose versteckt hält, kann ich vom ganzen Geschehen leider keine Fotos machen, da mir zum einen dieser Umstand gar nicht bewusst ist und zum anderen mangels Unterwasserfunktion des Mobiltelefons auch bei Kenntnis von seiner Anwesenheit keine Aufnahmen machbar gewesen wären. Überlebt hat das Handy den Schnorchelausflug im Übrigen, wenngleich es den ganzen Tag lang immer wieder über einen feuchten USB-Anschluss nörgelt.

Station 2: Unser obligatorischer Versuch kultureller Anteilnahme durch Besuch des Pu'uhonua O Honaunau National Historic Park.

Die Geschichte Hawaiis ist eigentlich recht schnell erzählt: Ein paar hundert Jahre nach Christus schippern mutige Polynesier mehrere tausend Meilen über das offene Meer nach Hawaii, weil sie der immer gleichen Kokosnüsse auf ihren eigenen Inseln überdrüssig geworden sind. Schnell bilden sie auch hier verschiedene Clans, die jeweils von einem Ali'i angeführt werden und sich nun den alten Traditionen folgend auf den neu entdeckten Inseln weiter wegen Nichtigkeiten die Köpfe einschlagen. Als dann Kamehameha I (das ist der Typ, nach dem Son-Goku in Dragon Ball Z immer schreit) irgendwo an die Macht kommt, macht er mit dem Quatsch Schluss und einigt alle Stämme mehr oder minder gewalttätig unter seiner Herrschaft. Damit es nun allen nicht zu langweilig wird, landen in der Folge diverse Ausländer auf den Inseln und führen Geschlechtskrankheiten ein, wodurch die indigene Bevölkerung prompt auf ein Fünftel ihres vorherigen Bestands dezimiert wird. Den Anfang macht übrigens James Cook, der der Inselkette zudem den klangvollen Namen Sandwich-Inseln verleiht, woraufhin ihn die Loco-Moco-affinen Einheimischen kurzerhand nebst Besatzung lynchen. Da in der Folgezeit schließlich auch noch sehr viele US-Amerikaner in das sonnenverwöhnte Inselparadies einreisen, sind die geschlechtskrankheitsgeplagten Indigenen bald schon eine Minderheit im eigenen Land und können ohne großen Widerstand von den USA annektiert werden.

So die Kurzfassung. Fast nichts davon lernt man indes im Pu'uhonua O Honaunau National Historic Park. Stattdessen gammelt man dort ziellos um einige lieblos aufgestellte Strohhütten herum und liest sich irgendwelche hanebüchenen Geschichten von Chief Keawe durch, dem Uropa von Kamehameha I. Aber nicht etwa etwas von historischer Bedeutung, sondern auschließlich irgeneinen ebenso nichtigen wie ausgedachten Quatsch a la: "Der Legende nach hat er hier am liebsten sein Nickerchen gemacht.", "Hier hat er vielleicht fast mal irgendeine Frau erschlagen, war dann aber doch zu müde." oder "Hier aß er leckeren Fisch." Das tollste Bauwerk des ganzen Komplexes ist eine vergleichsweise lumpige 300 Meter lange Natursteinmauer ("Great Wall"), die man so auch in einigen Gärten bei uns finden kann und deren vermeintliche Schutzfunktion sich mir nicht erschließt, da man sie direkt daneben durch das Wasser watend mühelos passieren kann. Gegebenenfalls bestand Keawes Stamm ja aus Vampiren oder Katzenmenschen...

Danach sind wir noch den Coastal Trail gelaufen, auf dem außer stinkenden Ziegen und irgendwelchen alten Steinhaufen rein gar nix zu sehen ist, weswegen sich wohl auch sonst kein Schwein hierher verirrt. Nach überlangen zwei Stunden haben wir dann auch genug. Fazit: Einmal mehr sind die Kulturtage in den USA der absolute Negativ-Hammer. Der Pu'uhonua O Honaunau National Historic Park verströmt wahre Mesa Verde Vibes und steht seinem Festlandsvorbild auch sonst in nichts nach. Echter Geheimtipp also für alle, die "Alte Leute auf Leitern" schon toll fanden.

Station 3: Letzter Stop nach einem kurzen Mittagessen ist der Punalu'u Black Sand Beach. Das Wetter ist leider nicht mehr allzu toll und die in einem abgesperrten Bereich befindlichen Schildkröten versprühen auch nur wenig Charme. Vor allem aber nimmt mein zu Mittag aufgekommener Juckreiz am oberen Rücken mittlerweile unerträgliche Ausmaße an, sodass wir uns schon bald weiter auf den Weg machen.

In der Unterkunft angekommen, nehme ich in der Hoffnung auf Linderung sofort eine Dusche, die aber alles nur noch schlimmer macht. Das permanente intensive Stechen und Krabbeln an Rumpf und Schultern bewegt sich nun auf einem mir vorab völlig unbekannten Niveau, sodass ich auch nach einer hochdosierten Schmerztablette stundenlang nur noch in dem Bemühen auf dem Bett kauern kann, jede Berührung tunlichst zu vermeiden. Lisa kümmert sich wohl derweil um alles andere und sucht auch bereits einen Notarzt heraus, aber davon kriege ich nicht wirklich etwas mit. Als es zum späten Abend hin etwas besser wird, belese ich mich im Internet dazu, dass Sonnenbrand in sehr seltenen Fällen wegen einer überschießenden Immunreaktion nach etwa 48 Stunden mit einem Juckreiz einhergehen kann, der so grauenhaft ist, dass er mit Depressionen und Suizidgedanken einhergeht ("Hell's Itch"). Einzige Gegenmaßnahme: So schmerzhaft heiße Duschen, dass man vor Schmerzen den Juckreiz nicht mehr wahrnehmen kann. Alles andere sei wirkungslos... Kann ich so etwas also auch noch in meine Krankheitsvita aufnehmen. Nach etwa 6 bis 48 Stunden soll es jedenfalls von selbst vergehen. Na, da hoffe ich doch wirklich mal auf einen frühen ersten Termin. Seinen Sonnenschutz vergisst man nach einem solchen Martyrium mit Sicherheit nicht noch einmal.
 
Kurz vor dem Einschlafen sorgt schließlich noch eine andere Begebenheit für etwas Ablenkung. Sophia hat sich unerklärlicherweise mehrere schwarze Steinchen so in die Ferse eingetreten, dass schon wieder Haut darüber gewachsen ist. Die Stellen sind bereits gerötet und werden sich wohl unbehandelt entzünden. So kann das natürlich nicht bleiben! Da Lisa für die notwendige Operation zu empathisch ist, fällt mir also die Aufgabe zu, das sich unter Tränen windende Kind mit einer Nähnadel in der Fußsohle zu traktieren bis endlich alle Steinchen herausgehebelt werden können. Mit Abschluss des Eingriffs bricht Sophia nochmals vor Erleichterung in Tränen aus, ist dann aber auch mächtig stolz auf sich und verewigt ihre Tapferkeit auf einer Tagebuchseite. Ob ich das wohl morgen auch werde tun können?

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