Mittwoch, 28. September 2022

Tag 23 - Nachtwanderung

Heute stehen wir früh auf. Und zwar wirklich früh. Um 5 klingelt der Wecker und nochmal umdrehen ist nicht drin. Unser kongenialer Plan: Die Menschenmassen im Arches National Park auf der Wanderung zum berühmten Delicate Arch umgehen, indem wir die eigentliche Sunsetlocation bei Sonnenaufgang anschauen. Hat ja immerhin gestern im Devil's Garden auch super geklappt. Für die Wanderung planen wir eine reichliche Stunde plus 30 Minuten Fahrzeit, noch ein bisschen Zeitpuffer und viertel 8 geht die Sonne auf - also los, raus aus den Betten! Sophia freut sich natürlich auf die Nachtwanderung und fragt nochmal, ob wir auch die Stirnlampe mithaben; immerhin haben wir ihr die wichtige Aufgabe übertragen, uns den Weg zu leuchten. 

Noch vor um 6 kommen wir auf dem Parkplatz an und staunen nicht schlecht: Uns war bewusst, dass wir nicht die Einzigen sein werden, aber mit diesem Andrang hatten wir nicht gerechnet. Der Parkplatz ist natürlich nicht überfüllt, aber es stehen schon etwa 15 Autos und es kommen stetig mehr - und das morgens um 6, stockdunkel, Temperaturen einstellig, bei einer Wanderung zu einem Arch, der im Morgenlicht nicht mal die beste Figur macht. Die Leute sind echt verrückt! So wird aus der Nachtwanderung eher eine nächtliche Völkerwanderung und es dauert auch eine Weile, bis Sophia es so richtig spannend findet, denn es ist ganz schön kalt! Immerhin gibt es noch reichlich Sterne zu sehen und auch der Mond zeigt sich noch in Form einer sehr schmalen Sichel. Ist halt nur nicht so romantisch und abenteuerlich, wenn 5 Meter vor uns und hinter uns schon die nächsten Taschenlampen leuchten. Kurz vor der Ankunft hat dann erst Sophia keine Lust mehr und dann nehmen wir auch noch kurzzeitig den falschen Weg, weil wir - abgelenkt von Sophias Genörgel - anderen Touristen folgen, die den Weg nicht kennen.

Die Hektik war aber auch umsonst, denn als wir gegen 7 schließlich auf dem Plateau ankommen, wird zwar der Himmel schon hell, aber von der Sonne ist noch nichts zu sehen. So stehen wir da mit vielleicht 40 anderen und frieren uns den Popo ab. Ein nerviger Franzose muss natürlich erstmal seine Drohne steigen lassen, was hier verboten ist. Da lässt sich ein gedachtes "Geschieht dir recht!" nicht unterdrücken, als einer seiner Hunde beinahe den Abgrund hinunterstürzt bei dem Versuch, der fliegenden Lärmquelle hinterher zu jagen. Der war wohl auch genervt von dem Gesurre... 

Einige Zeit später geht die Sonne auf und wärmt uns wenigstens etwas. Eine weitere halbe Stunde vergeht mit Warmtanzen, Reimspielen und dem Beobachten anderer Leute. Sophia ist vor allem begeistert von einer Frau indischer Herkunft ("Guck mal, Mama, die Frau ist so hübsch!"), Christoph und ich sind hingegen auf gewisse Weise fasziniert von einer jungen Kanadierin, die "für ihre Follower" Fotos und Videos von sich vor dem Arch im Bikini-Top (!) macht und dabei aber auch jedes Klischee erfüllt. Fast ist man geneigt, sich nach einer versteckten Kamera umzusehen, weil man sich fragt, ob sich ein Mensch inmitten von Fremden wirklich derart peinlich aufführen kann. Im Gespräch mit anderen erklärt sie aber, dass ihr inzwischen nichts mehr peinlich ist. Ja, das sehen wir!

Irgendwann wird es jedenfalls wärmer und auch wenn die Sonne den Arch nicht ganz erreicht, ist die Aussicht nicht schlecht. Es bleiben trotzdem zu viele Menschen und gegen halb 9 machen wir uns auf den Rückweg mit der Erkenntnis, dass wir auch zwei Stunden länger hätten schlafen können. Naja, wir haben es wenigstens versucht!


Sophia darf sich etwas wünschen und so fahren wir nochmal zurück zum Sand Dunes Arch, wo im Sand gespielt und gehopst wird und Christoph nach eigener Aussage eine Höhle buddelt, die bis nach China reicht. Nach dem Backen toller Sandkuchen, -brote und -brötchen (die vermutlich immer noch besser schmecken als das Zeug, was es hier zu kaufen gibt) und so tollen Spielen wie "Welche verbuddelte Zehe ertastest du da gerade?" holen wir noch schnell das nächste Junior-Ranger-Abzeichen im Visitor Center ab und verlassen dann den Arches National Park in Richtung Westen.

Sophia ist nach dem frühen Start in den Tag derart müde, dass sie sogar mal während der Fahrt schläft (das erste Mal seit bestimmt zwei Wochen). Nach nur einer halben Stunde erreichen wir die Weltmetropole Green River, die in erster Linie aus 5 oder 6 riesigen Tankstellen besteht. Viel mehr gibt es hier tatsächlich nicht. Wir kaufen in einem vermeintlichen Mini-Supermarkt ein, der exakt dasselbe Angebot hat wie die Tankstellen, inklusive der überteuerten Preise. Vom Kauf des Toastbrotes sehen wir ab, da es bereits die Rostflecken des Regals übernommen hat, auf dem es seit etwa 15 Jahren zu liegen scheint. Die Bagel sehen aber noch gut aus und Wasser gibt's auch. Zum Mittagessen holen wir belegte Sandwiches bei Subway, was Sophia wenig begeistert, uns aber trotz der schlechtesten Bedienung aller Zeiten (bestehend aus Mister "Ich schlafe jeden Moment ein", Misses "Willst du *nuschel* oder *prfmpfg* auf dein Sub?" und der Kassiererin "Es könnte mir nichts egaler sein") ganz gut schmeckt.

Am Nachmittag kommen wir im Goblin Valley State Park an und fahren erstmal auf unseren Campingplatz, da es zu warm ist, um in dem sonnigen Tal herumzulaufen. Stattdessen nutzen wir die Duschen, auf die wir uns seit Tagen freuen, um endlich mal diesen verfluchten Sand loszuwerden, der sich echt überall festsetzt. Klappt nur so mäßig, aber immerhin riechen wir wieder erträglich.

Als es gegen Abend etwas abkühlt, schauen wir uns noch im Tal der unzähligen roten Steinhoodoos um, die der Legende nach versteinerte Kobolde sind. Unsere Fantasie reicht gerade noch, um mehrere Raben Socke in den Steinfiguren zu erkennen. Anschließend spielen wir Verstecken zwischen den Hoodoos, was hauptsächlich die erwachsenen Teilnehmer zur Verzweiflung bringt angesichts der schlechten Orientierung der Jüngsten unter uns. Außerdem treffen wir noch eine verrückte Gruppe feierwütiger Mittzwanziger, die in schrillen Glitzerklamotten und mit bunten Perücken und natürlich der unvermeidlichen lauten Musikquelle (vermutlich von Substanzen nicht mehr nachvollziehbarer Herkunft benebelt) durch die Wüste tanzen. Wie man darauf kommt, hier zu feiern, ist uns ein absolutes Rätsel, aber wir geben uns damit zufrieden, dass sie die Nacht nicht auf dem Campingplatz verbringen.


Zum Tagesausklang gibt es noch ein Lagerfeuer mit Marshmallows, wobei wir mal wieder feststellen müssen, dass wir dafür irgendwie nicht geeignet sind. Während andere ein Feuer entzünden und dann stundenlang entspannt davor sitzen, ist das bei uns für maximal eine halbe Stunde interessant, bis wir genug Marshmallows gegrillt haben. Die kommenden eineinhalb Stunden verbringen wir damit, dass Feuerholz durch beständiges Wedeln mit geleerten Pebbleskartons zum schnelleren Abbrennen zu bewegen (immerhin haben wir dafür bezahlt, jetzt soll das Zeug gefälligst auch bis zum bitteren Ende verbrennen), nur um dann die Reste möglichst schnell mittels Wassereimer endgültig zu löschen, damit wir endlich ins Wohnmobil und aus den stinkenden Klamotten rauskommen. Lagerfeuerromantik ist nichts für uns! 

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