Mittwoch, 28. September 2022

Tag 24 - Die unendliche Geschichte

Nachdem wir die letzten beiden Tage so früh aufgestanden sind, lassen wir es heute wieder etwas ruhiger angehen. Zwar haben wir eine längere Wanderungen geplant, aber ausschlafen (bis etwa um 7) ist trotzdem drin. Nach einem ruhigen Frühstück und einer Fahrt von wenigen Meilen stehen wir am Trailhead zum Little White Horse Canyon, einem Slotcanyon. Theoretisch ist eine Rundwanderung von bis zu 13 Kilometern denkbar, aber das haben wir nicht unbedingt vor. Wir sind zwar für eine längere Wanderung ausgestattet und hoffen auf ein paar schöne Kletterpassagen für Sophia, wollen aber ansonsten einfach wieder umkehren, sobald wir keine Lust mehr haben.

Schon auf dem Parkplatz weist uns ein anderer Wanderer darauf hin, dass man am Eingang nasse Füße bekommt. Naja, damit können wir umgehen. Christoph denkt zum Glück mit und so packen wir noch schnell Badelatschen und zwei Handtücher ein - dann können wir uns vielleicht nasse Wanderschuhe ersparen. Einige hundert Meter weiter stehen wir an einem überschwemmten Durchgang, an dem andere Wanderer gerade einen Umweg über die Felswände suchen. Christoph meint sich zu erinnern, dass dies auch bei unserem letzten Besuch 2015 so war und so nehmen wir unbesorgt den offensichtlich viel begangenen Umweg und hoffen, dass wir das Problem mit den nassen Füßen damit vielleicht schon umgangen haben. (Kleiner Spoiler: Wer's glaubt...)

Kurz vor dem Eingang zum Slotcanyon treffen wir einen weiteren Wanderer, der Sophia skeptische Blicke zuwirft und anschließend meint, dass es da drin ziemlich feucht wäre. Mit Gesten deutet er an, dass das Wasser hüfthoch sei. Etwas verdattert und ob seiner trockenen Hosen ungläubig nehmen wir dies erstmal zur Kenntnis. Wer die Berichte unserer letzten Urlaube verfolgt hat, erinnert sich vielleicht, dass wir bereits eine ähnliche Erfahrung in einem anderen Slotcanyon gemacht haben (Tag 21 - Halbnackt am Straßenrand) und fragt sich womöglich, warum ich an dieser Stelle nicht längst skeptisch geworden bin. Tja, ich weiß auch nicht. Vielleicht bin ich inzwischen einfach entspannter, was solche Aktionen angeht? Und in Erinnerung bleiben sie allemal...

Wir folgen jedenfalls unbeirrt unserem Weg in den Slotcanyon und genießen diesen sehr. Es ist spannend, abwechslungsreich und dank wechselndem Schatten und Sonnenschein auch von den Temperaturen her echt angenehm.

Leider bleibt es nicht lange so einfach. Schon bald begegnen wir einer ersten Pfütze, wechseln auf unsere Badelatschen, Sophia wird kurz getragen und alle können trockenen Fußes weiterwandern. Aber nicht lange. Vor dem nächsten Wasserloch gibt es schon ein wenig Stau. Wir beobachten, wie ein Wanderer vor uns sich seinen Weg durch die dreckige Brühe bahnt und stellen fest, dass der Mann mit seiner Beschreibung zuvor nicht so ganz falsch gelegen hatte. Aber was soll's, solche Wasserabenteuer gehören für uns in Slotcanyons scheinbar irgendwie dazu, also rein da. Christoph geht erstmal vor und wir haben ja aus dem letzten Mal gelernt: Alle Taschen sind geleert, keine elektronischen Geräte mehr am Mann! Seine Vorstellung war eigentlich, dass es reicht, die Hose ganz nach oben zu krempeln. Tja, was soll ich sagen: Hat es nicht! Christoph ist schon mal nass bis zur Hüfte und trägt anschließend Sophia auf seinen Schultern durchs Wasserloch. 

Ich folge den beiden in Unterhosen, die Wanderhose wird sicher im Rucksack verstaut - bin ja nicht doof! Ewig in den nassen Sachen weiterzuwandern war beim letzten Mal das Unangenehmste an dem gesamten Unterfangen, das möchte ich gern umgehen. Für mich geht es also anschließend in trockener Hose weiter, für Christoph in nasser Unterhose. Kann man ja mal machen, gerade bei seinem Berufsstand. (Euer Ehren, bitte ziehen Sie sich eine Hose an!) 

Am nächsten sonnigen Plätzchen machen wir erstmal eine Pause und hängen unsere Sachen zum Trocknen auf. Christoph beschwert sich noch immer, dass ich die zwei kleinsten Handtücher (ich gebe zu: eins davon war unser Wischtuch, dass wirklich überhaupt kein Wasser aufnimmt) mitgenommen habe. Aber ich bin eben davon ausgegangen, dass nur die Füße nass werden. Und ja, wir und Slotcanyons: Ich hätte es besser wissen müssen. Hatten wir so jedenfalls auch noch nicht, Picknick unter nassen Schlüpfern...


Anschließend klettern wir noch etwas weiter durch den Canyon, kommen aber leider nicht mehr allzu weit. Das nächste Hindernis in Form eines mitten im Weg steckenden großen Felsbrockens überwinden wir noch, aber es folgt ein über 2 Meter hoher Stein mit tiefer Pfütze davor. Für uns sicherlich machbar (Christoph testet den Aufstieg und schafft ihn auch in Badeschlappen), aber mit Sophia ist uns das zu heikel. Immerhin müssen wir auch den selben Weg wieder zurück. Sehr schade, aber leider nicht zu ändern. Immerhin waren wir bis hierhin auch schon 2 Stunden unterwegs. Lustig war es allemal und Sophia fand es auch super.


Zurück im Wohnmobil ziehen wir uns um und machen uns auf den Weg zu unserem nächsten Tagesziel, dem Capitol Reef National Park. Unterwegs gibt es noch ein leckeres Mittagessen und schon nähern wir uns einem grünen Tal inmitten felsiger und lehmiger Hügel in allen Farben von Weiß und Gelb bis zu Dunkelrot. Da wir aufgrund der kürzer als gedacht ausgefallenen Wanderung am Vormittag nun einiges eher hier sind als geplant, peilen wir noch den Grand Wash Trail an, der eigentlich erst morgen auf dem Plan stand. Auf dem Weg dahin werden immer wieder die Auswirkungen der letzten Überschwemmungen sichtbar, sodass ich mir schon Sorgen mache, ob die Wanderung durch einen Wash überhaupt möglich sein wird, aber hier haben wir endlich wieder Glück: Der Grand Wash war offensichtlich gar nicht betroffen und ist ohne Einschränkungen begehbar.

So starten wir eine Wanderung durch das ausgetrocknete Flussbett, die die mit Abstand entspannteste im (bisherigen) Urlaub ist! Und das hat einen ganz bestimmten Grund: Sophia erzählt eine Geschichte. Und zwar nicht irgendeine Geschichte, sondern eine selbst erdachte, die von unserer Seite keinerlei (!) Mitwirkung erfordert. Sie beginnt mit Leo Lausemaus, der erst nicht einschlafen kann und später aus Puderzucker, Honig, Schnee und Sand neuen Puderzucker in seiner Schneekiste herstellt. Anschließend errichtet er gemeinsam mit seinen Eltern einen schönen Garten mit Obst-, Gemüse-, Wasser- und Sandbeeten, irgendwann werden alle verwandelt und wohnen in einem Glitzerschloss, dann müssen Diebe verjagt werden und am Ende wird von den Piraten ein böses Monster gefangen, wobei sich die unaufmerksamen Zuhörer anschließend uneinig sind, ob es ein Bär oder ein Riese war. Wie die Handlungsstränge im Einzelnen zusammenhängen, erschließt sich uns leider nicht, was vermutlich nicht ausschließlich unserer mangelnden Aufmerksamkeit zuzuschreiben ist; sicher ist aber, dass unsere Tochter geschlagene 45 Minuten ihre Geschichte erzählt und zwischendurch nicht mal zum Trinken zu bewegen ist. Am Ende ihrer Erzählung sind wir schon am Ziel unserer Wanderung angekommen und sie hat nichts von der Natur um sie herum mitbekommen, aber das macht gar nichts. Das Kind ist glücklich und wir Eltern noch viel mehr, denn neben dieser beachtlichen Leistung hatten wir mal Zeit, diese Wanderung wirklich in aller Ruhe zu genießen. Das hatte was!

Der Rückweg vergeht hauptsächlich damit, dass Sophia immer wieder bestätigt haben möchte, dass wir erstens gar nicht glauben können, dass sie sooo eine lange Geschichte erzählt hat, und dass zweitens bestimmt noch nie ein anderes Kind in ihrem Alter sich so eine tolle und lange Geschichte selbst ausgedacht hat. Das begleitet uns übrigens schon den ganzen Urlaub: Es hat auch (bestimmt) noch nie ein anderes vierjähriges Kind gegeben, dass eine so anstrengende und/oder lange Wanderung geschafft hat oder im Dunkeln mit Taschenlampe zum Delicate Arch gewandert ist... Jedenfalls ist sie sehr stolz auf sich, auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob sie sich nur über unsere Reaktion freut oder ihre eigene Leistung bewundert.

Wir haben so jedenfalls eine wundervolle Nachmittagswanderung, die am Ende noch von der Sichtung mehrerer Fledermäuse gekrönt wird, die vermutlich in den unzähligen Löchern der Sandsteinfelsen hausen und schon am späten Nachmittag aktiv sind. Nun wird es aber Zeit für unseren Campingplatz, der wirklich ein Traum und für den Südwesten der USA eher untypisch ist: Eine kleine grüne Oase mit großen Bäumen, Obstplantagen (der Ort heißt nicht umsonst Fruita) sowie Rehen und Truthähnen, die sich hier offensichtlich mit den Campern arrangiert haben und mitten über den Campground spazieren. Ein wundervoller Tag!

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