Kurz nach 7:00 Uhr stehe ich auf, verfrachte Sophia aus dem Alkoven zum Kuscheln zur Mama hinten und beginne noch einmal ohne viel Hoffnung auf Erfolg die Suche nach Bodo-Marika. Im Kühlschrank? Nein. Unter den Fahrersitzen? Nein. Eingeklemmt im Slide-out? Wieder nein. Mist, offenbar haben wir die arme Wurst wirklich im Cedar Breaks Visitor Center zurückgelassen. Da ich auch kein Netz habe, um dort anzurufen, mache ich halt erstmal Frühstück. An den Gedanken, meinen letzten Urlaubstag mit einer zusätzlichen dreistündigen Rettungsmissionsfahrt ins Cedar Breaks National Monument zu verbringen, habe ich mich bereits gewöhnt.
Als Lisa Sophia dann auf ihren Platz neben dem Kindersitz heben will, geschieht das Unglaubliche. Sie wühlt kurz am Kindersitz rum und ... zieht die hässliche Fledermaus hinter der Sitzlehne hervor! Das dumme Tier hat sich offensichtlich trotz bitterer Tränen und verzweifelter Rufe am Vorabend einfach nur grinsend versteckt gehalten. Das hat ein Nachspiel, Bodo-Marika...
Aber nun geht es erst einmal los Richtung Zion National Park. Aufgrund der hohen Besucherzahlen und der wenig kindertauglichen Wanderungen hatte ich den Park ursprünglich nicht aufsuchen wollen, aber ein katastrophaler Felssturz im Sommer 2019 beschert uns nunmehr ungeahnte Möglichkeiten. Dazumal brach eine Felsklippe von etwa 31.000 Tonnen ca. 1000 Meter über dem Talboden ab, was zur dauerhaften Schließung mehrerer Trails, darunter auch dem Hauptweg zum wohl bekanntesten Aussichtspunkt des Parks, dem Observation Point, führte. Glücklicherweise gibt es indes einen weniger bekannten, in den offiziellen Park-Broschüren nicht beworbenen und nur über nicht ausgeschilderte Dirtroads erreichbaren zweiten Trail, der zudem mit 11 Kilometern etwas kürzer und vor allem wesentlich flacher als die - ursprüngliche - Hauptroute ist. Statt 700 gilt es nur etwa 100 Höhenmeter zu überwinden. Das dürfte trotz erwarteter 30 Grad Celsius auch mit Sophia im Rahmen des Möglichen liegen. Und wann hat man schon mal die Chance, den Observation Point ohne unzählige nervige Miturlauber zu erleben?
Kurz vor dem Osteingang des Zion National Parks biegen wir daher nach rechts Richtung Ponderosa Ranch Resort ab, um unser dort im Vorfeld gebuchtes Shuttle aufzusuchen. Meiner Aufgabe während der Fahrt, die mittlerweile nur noch an einer Seite hängende Mikrowelle zu arretieren, werde ich leider nicht gerecht. Der Erkenntnis, dass die Mikrowelle offenkundig linksseitig nur mittels Klebeband am Schrank befestigt war (!) folgt mangels verbliebenem Klebeband (2 Rollen kleben ja schon an der Dachluke!) keine Eingebung einer realisierbaren Lösungsoption. Es bleibt nur zu hoffen, dass die zwei rechtsseitigen Schrauben trotz hin- und herschwingender Mikrowelle auf den verbliebenen 200 Meilen nicht herausbrechen.
Der Wechsel von Wohnmobil auf Shuttle verläuft in der Folge reibungslos und Sophia ist nach einer 15-minütigen Rüttelfahrt äußerst enttäuscht, dass selbige bereits zu Ende ist. Ich dagegen bin froh, meine eingeklemmten Beine wieder zu spüren, da ich natürlich hinter dem einzigen nach hinten geklappten Sitz Platz genommen habe. O-Ton Sophia im Shuttle: "Zum Glück ist das bei mir nicht so mit dem Sitz."
Die Wanderung ist für sich genommen wenig spektakulär, aber herrlich abgeschieden, ruhig und vergleichsweise einsam. Außerdem überqueren wir erstmalig eine Nationalparkgrenze zu Fuß.
Nach knapp zwei Stunden Wanderung durch Wälder und Hochebenen, die wir mit der Planung einer Prinzessinnenfeier, dem Backen eines Mäusekuchens sowie der Verarztung der verbrannten Zunge einer naschenden Fledermaus verbringen, erreichen wir schließlich den Observation Point.
Tatsächlich ist hier glücklicherweise relativ wenig los und wir halten uns entspannte 50 Minuten auf, bevor wir uns an den Rückweg wagen. Dieser verläuft ähnlich unproblematisch wie der Hinweg mit Ausnahme eines Moments, an dem Sophia erwartungsvoll ihre Idee kundtut, einen Toten auszubuddeln und Lisa anmerkt, dass dies in der Realität wohl verboten sei. Aus irgendeinem Grund bricht für Sophia damit eine Welt zusammen und dicke Tränen kullern über ihre Wangen. Erst nach 20 Minuten kann sie sich wieder beruhigen und alles geht wieder seinen gewohnten Gang. Warum Sophia sich so sehr danach sehnt, eine Leiche auszuscharren, bleibt in der Folge ungeklärt.
Das Shuttle bringt uns jedenfalls wohlbehalten wieder zurück zu unserem Wohnmobil, wo erneut eine Enttäuschung auf Sophia wartet. Obwohl sie so tapfer mitgewandert ist, darf sie keine Brezeln naschen, weil sie angibt, noch immer ein klein wenig Bauchschmerzen zu haben. Zwar flunkert sie nach Verständnis des Zusammenhangs "Bauchschmerzen = keine Brezeln", mehrfach, sie habe nun keine mehr, auf direkte Nachfrage gelingt es dem kindlichen Geist aber nicht, die Lüge aufrechtzuerhalten. Stattdessen räumt sie stets - erst verärgert und später betrübt - ein, dass ihr doch noch etwas der Bauch drücke.
Die anschließende Fahrt in den Zion National Park ist aufgrund einsetzenden Regens bei gleichzeitigem Sonnenschein spektakulär schön, doch zur Vermeidung einer Intensivierung der mangels Brezelverzehrs schlechten Laune Sophias, verzichten wir darauf, anzuhalten, um die glitzernden Sandsteinfelsen zu fotografieren. Immerhin die nachfolgende fast 2 Kilometer lange Fahrt durch den Zion-Mount Carmel Tunnel kann die Stimmung etwas heben. Kurz vor 17:00 Uhr kommen wir schließlich im Visitor Center an, entscheiden uns aber unerklärlicherweise dafür, zunächst den Gift Shop aufzusuchen, um Sophia ein blödes Stoffhäschen zu kaufen, sodass bei Verlassen des Stores das Visitor Center geschlossen ist und wir ohne Junior Ranger Booklet dastehen.
Also fahren wir zum Campground, halten nochmal Sophias Füße ins Matschwasser, lassen zwei Pizzen verbrennen, entzünden ein Feuer, von dem wir erfolglos erwarten, dass es bald wieder erlöschen wird, und nutzen schließlich das nun endlich wieder akzeptable mobile Internet, um die ausstehenden Blog-Beiträge zu veröffentlichen.
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